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Das Potenzial des neuromuskulären Systems

Bei der Beurteilung von Leistungseinbrüchen und Verletzungen im Profifußball gewinnen neuromuskuläre Defizite zunehmend an Bedeutung. Der EMG-Experte Simon Roth erläutert, welchen Mehrwert Muskelaktivitätsmessungen und Biofeedback-Training vor und während der Saison für das medizinische Team hinter der Mannschaft bieten können.

Ein Parameter, der lange Zeit lediglich subjektiv betrachtet wurde, wird seit einigen Jahren zunehmend in konkrete Daten umgewandelt: die Muskelaktivität. Sie spielt eine entscheidende Rolle bei der Kraftentwicklung und Ökonomisierung des muskulären Systems.

PRE-SEASON ASSESSMENT

Muskuläre Dysbalancen und neuromuskuläre Defizite sind entscheidende Faktoren für potenzielle Leistungseinbußen, Verletzungen und Schmerzen, die nicht unterschätzt werden dürfen. Es ist gängige Praxis, dass die Athleten eines Bundesliga- Clubs während der Saisonvorbereitung vom Funktionsteam auf mögliche Asymmetrien untersucht werden. Assessment-Tools werden zur objektiven Erfassung von Abweichungen verwendet. Spieler werden von unterschiedlichen Fachbereichen untersucht und auf ihre individuelle Belastbarkeit hin geprüft.

EMG ALS BILDGEBENDES VERFAHREN

Signifikante Defizite in der Steuerung sportspezifischer Muskelgruppen können zu ineffizienten Bewegungsmustern und Überlastungsschäden führen. Diese Schwachstellen aufzudecken und zu objektivieren ist mithilfe der Elektromyographie (EMG) möglich. Dabei wird die Muskelaktivität durch kleine Sensoren auf der Haut erfasst und mittels Bluetooth an ein Tablet übertragen und aufgezeichnet. Das System erkennt sofort relevante Dysbalancen und schlägt geeignete Korrekturen vor, die im Biofeedback überprüft werden können.
„Neuromuskuläre Dysbalancen sind ein essenzieller Teil bei der Beurteilung von potenziellen Schwachstellen und Potenzialen eines Athleten. Durch die Visualisierung der Muskelaktivität gelingt es, diesen Parameter sichtbar zu machen und im Biofeedback-Training positiv zu beeinflussen.“ (Dr. Basit Ahmad, FC Bayern München)

ANSTEUERUNG TRAINIEREN

Der Athlet erwirbt durch das Biofeedback- Training ein Bewusstsein für das, was er fühlt und sieht. Die Frage, ob die Aktivität während einer Übung tatsächlich dort ankommt, wo er sie spürt, steht im Mittelpunkt. Diese spezielle Trainingsmethode fördert besonders die Verbindung zwischen Geist und Muskeln. Sie ist auch bekannt als Muscle-Mind-Connection.
Diese neuronale Verbindung zwischen Gehirn und Muskulatur wird in der Sportwissenschaft als „Muskelbewusstsein“ bezeichnet. Der Athlet konzentriert sich bewusst auf die gezielte Ansteuerung eines Muskels oder fokussiert sich während der Übungsausführung besonders auf den aktivierten Muskel. Die Komplexität des intramuskulären Zusammenspiels hängt von der Erfahrung des Trainierenden, der Art der Übung oder dem Fokus des Trainierenden ab. Eine ausgeprägte Muscle-Mind-Connection ist entscheidend für eine effektive Trainingsleistung, da sie die angesteuerte Muskulatur gezielt aktivieren und trainieren kann.
Die optimale Steuerung der eigenen Muskulatur wird oft durch erlernte muskuläre Kompensationen beeinträchtigt. Athleten mit einer Bänderverletzung oder einem Beinbruch neigen dazu, das betroffene Bein während der Rehabilitation zu schonen, um die strukturelle Heilung zu fördern. Dies führt häufig zu einer reduzierten neuromuskulären Kommunikation und somit zu einem Kraftverlust. Die Konsequenzen daraus können Überlastung, Verletzungen und Schmerzen sein.
In einer effektiven Rehabilitationsphase werden die betroffenen Muskeln integriert und das physiologische Steuerungsmuster wiederhergestellt. In unserer Arbeit stellt sich immer wieder ernüchternd heraus, dass bisher nur wenige Rehabilitationseinrichtungen über ein System verfügen, das überwacht, ob diese Form der Wiedereingliederung zielführend verläuft.

„Muskelaktivität ist eine sinnvolle, messbare Größe zur Beurteilung der Kraftentfaltung und Ökonomisierung des muskulären Systems.“

PERFORMANCE NIVEAU STABILISIEREN

Im Profifußball geht es weniger darum, Spieler schneller zu machen, sondern vielmehr darum, ihre bestehende Performance und Athletik zu stabilisieren. Das Ziel ist es, die Fähigkeit zur langanhaltenden Schnelligkeit zu bewahren und die individuellen Kapazitäten maximal auszuschöpfen.
„EMG Biofeedback-Training hat mir geholfen, nach Verletzungen schneller fit zu werden. Ich nutze immer wieder gerne die Gelegenheit, mithilfe des Biofeedback-Trainings mein Potenzial zu aktivieren. Die Übungen sind fester Bestandteil meines Trainings.“ (Aymen Barkok, Spieler bei 1. FSV Mainz 05)
Ein ineffizientes Ansteuerungsverhalten beeinträchtigt die Ausdauerleistungsfähigkeit. Wenn beim Laufen kompensatorische Muskeln zusätzlich aktiviert werden, verbraucht der Körper mehr Energie, wie wenn nur die für den Lauf relevanten Muskeln verwendet werden. Die Kontrolle über das eigene neuromuskuläre System ist entscheidend für eine gute und nachhaltige Athletik. Ob Profifußballer der Ersten Bundesliga, Olympiateilnehmer in einer Individualsportart oder der „normale“ Büroathlet – jeder benötigt ein individuelles Maß an Muskelkontrolle, um gesund zu bleiben.
“Die Visualisierung durch EMG-Analysen hat mir sehr geholfen, auch die letzten paar Prozent meines Potenzials während der Genesung nach einer Schulteroperation wieder herauszuholen.” (Judoka Dominic Ressel, Bronzemedaillengewinner Olympische Sommerspiele 2020)

FALLBEISPIEL IM PROFIFUSSBALL

Ein Muskelfaserriss im hinteren Oberschenkel, genauer gesagt im Musculus biceps femoris, ist eine der häufigsten muskulären Verletzungen im Profifußball, die beispielsweise beim Sprinten ohne Fremdeinwirkung auftritt. Die Frage, wie dies trotz professioneller Trainings erfolgen kann, war lange Zeit ungeklärt. Die Forschung hat inzwischen festgestellt, dass muskuläre Defizite, sowohl in der Becken- Rumpf-anbindenden Muskulatur als auch direkt im Ischiocruralen Bereich (hinterer Oberschenkel), eine wichtige Rolle bei der beschriebenen Problematik spielen.
Wenn im Laufe der Spielerkarriere neuromuskuläre Defizite in einem oder beiden dieser Bereiche auftreten, muss der Spieler auf andere Muskeln zurückgreifen, um die fehlende Aktivität auszugleichen. Dies kann in Phasen mit hoher Belastung und/oder Ermüdung zu Verletzungen der betroffenen Struktur führen. Der Spieler wird vom Platz genommen. Die Rehabilitation beginnt sofort. In 50 Prozent der Fälle treten diese Verletzungen erneut auf, durchschnittlich 25 Tage nach der Rückkehr zum Spiel (Return-To-Play).

EMG-ANALYSE ZUR AUFKLÄRUNG

Durch gezielte EMG-Screenings der betroffenen und umliegenden Muskelgruppen wird die Muskelaktivität als entscheidende Messgröße betrachtet. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in MRT-Untersuchungen auf struktureller Ebene keine Verletzungen mehr nachweisbar sind oder ein Athlet weder bei Dehnübungen noch bei Kraftausübung Schmerzen verspürt. Bisher reichten diese Tests häufig aus, um den Spieler wieder ins Mannschaftstraining zurückkehren zu lassen und anschließend im Spiel einzusetzen. Trotz solcher funktionalen Screenings treten in der Hälfte der Fälle erneute Muskelfaserrisse auf.
Eine mögliche Ursache für dieses Problem liegt in der mangelnden Integration des betroffenen Muskels in das physiologische Ansteuerungsmuster. In der Anfangsphase der Rehabilitation wird häufig das beschädigte Muskelgewebe aus einem übermäßigen Aktivitätsverhalten entfernt, um es vor Verletzungen zu bewahren. In der fortgeschrittenen Rehabilitationsphase, in der das betroffene Muskelareal stärker beansprucht wird, kann die Übungsbelastung erneut von einem kompensierenden Muskel übernommen werden. Je umfassender und ganzheitlicher der Sportler trainiert ist, desto weniger fällt diese Kompensation einzelner Muskeln auf.
Es besteht die Gefahr, dass der Spieler, wenn er wieder ins Spielgeschehen zurückkehrt, nicht sein volles Potenzial abrufen kann. Da die unterstützenden Muskeln an ihre Belastungsgrenze kommen und erneut eine Verletzung provoziert werden kann. In 75 Prozent der Fälle treten Muskelfaserrisse an derselben Stelle auf.
„Die EMG-Methode hat uns geholfen, Schwachstellen der Spieler zu definieren, auf welche sie sich im Training fokussieren können, um den Stress aus überlasteten Strukturen zu nehmen. Neuromuskuläre Dysbalancen könnten wir ohne die Hilfe der Elektromyographie nicht sehen.“ (Dr. Vitalii Kilian, Mannschaftsarzt der ukrainischen Nationalmannschaft)

STANDARD IN DER SPORTMEDIZIN

Es ist wichtig die Überwachung der Muskelaktivität nicht ausschließlich auf die subjektiven Empfindungen des Athleten zu beziehen. Bei der Behandlung von muskulären Dysbalancen, neuromuskulären Defiziten sowie der Untersuchung von Leistungseinbrüchen oder zur Verletzungsprävention sollten moderne Technologien wie EMG verwendet werden, um die Muskelaktivität als objektive Messgröße zu überwachen.
Die EMG-Technologie hat sich mittlerweile so weit entwickelt, dass sie nicht mehr ausschließlich von Experten aus der Sportmedizin und Forschung verwendet wird. Sie findet zunehmend Einzug in gängige Physiotherapiepraxen und Fitnessstudios. Auch über den Leistungssport hinaus sind messbare Dysbalancen häufig die Ursache für weit verbreitete Beschwerden wie Rückenschmerzen.

POTENZIAL FÜR ALLE LEVEL

Wie häufig ein Mensch im Alltag seine Muskeln aktiviert, spiegelt sich in der Höhe seiner maximal willkürlichen Aktivierung (MVA) wider. Wenn durch langes Sitzen wenig Muskelaktivität entsteht, kann dies in einer Muskelanalyse abgebildet werden. Der Mehrwert besteht darin, gezielte Übungen für die hypoaktive Muskulatur zusammenzustellen und den Verlauf des durchgeführten Trainings kontinuierlich zu überwachen. Dabei sollten alle grundlegenden Trainingsprinzipien berücksichtigt werden. Es besteht ein deutlicher Unterschied darin, ob Übungen gleicher Intensität mit unterschiedlichen Muskelaktivitäten ausgeführt werden.
Bewegt ein Athlet einen Widerstand von A nach B, ohne dabei eine hohe Muskelaktivität zu rekrutieren, wird er gegenüber einem Trainierenden, der dasselbe Gewicht mit hoher Muskelaktivität bewegt, unterlegen sein. Dies kann sowohl für den Trainierenden als auch für den Trainer frustrierend sein und die Motivation für ein konstantes Training beeinträchtigen. Ein hoher externer und interner Trainingsreiz ist erforderlich, um das maximale Potenzial auszuschöpfen. Das Biofeedback- Training unterstützt das Erlernen und Anwenden der optimalen muskulären Übungsausführung, bietet Trainern und Trainierenden ein objektives visuelles Kommunikationstool und fördert die langfristige Trainingsmotivation.
„Mir ist es wichtig, nicht nur mit subjektiven Eindrücken zu arbeiten, sondern auch messbare Erkenntnisse der Muskelaktivität in der Bewegung zu erhalten. Ein erster Eindruck kann schnell mit zusätzlichen Daten verglichen werden. Wichtig ist uns hierbei, kein negatives Erlebnis durch die Tests und mögliche Defizite zu erzeugen, sondern vielmehr das positive Potenzial durch den kurz-, mittel- und langfristigen Mehrwert hervorzuheben.“ (Lukas Trittel, Physiotherapeut bei Eintracht Frankfurt)


SIMON ROTH

Der Physiotherapeut und Spezialist für EMG (Elektromyographie) konzentriert sich auf die Bereiche Orthopädie, Sportmedizin und Chirurgie. In seiner Privatpraxis in Mainz betreut er professionelle Sportler und kooperiert mit Bundesliga- und Premier- League-Vereinen.
www.myoact.de


Fotos:  Björn Aßmus


Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 6-2023:

 

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Neurozentriertes Training per Smart Device

Das Gehirn und das zentrale Nervensystem spielen eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle unseres Körpers und beeinflussen maßgeblich unser Verhalten sowie unsere körperliche Leistungsfähigkeit. Der Neuroathletiktrainer und Sportwissenschaftler Yassin Jebrini zeigt, wie wir die digitale Entwicklung im Bereich des neurozentrierten Trainings nutzen können.

In den letzten Jahren haben sich neuroathletische Übungen unter Trainern und Therapeuten als wirkungsvoller Ansatz etabliert, um die kognitiven Fähigkeiten, Sinneswahrnehmung und motorischen Fertigkeiten zu verbessern. Dadurch sollen Bewegungen optimiert und Schmerzen reduziert werden. Spezielle Apps ermöglichen die Integration von neuroathletischen Übungen in den Alltag. Nachfolgend werden die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten dieser neurozentrierten Apps sowie die besten Anwendungen im Kontext von Training und Therapie vorgestellt.

METRONOM-APPS

Metronom-Apps bieten eine Vielzahl von Funktionen, die darauf abzielen, die Fähigkeiten der Nutzer in Bezug auf Rhythmus und Timing zu erweitern. Sie ermöglichen den Anwendern, sich an kontinuierliche und diskontinuierliche Rhythmen und Tempi anzupassen und ihre Fertigkeiten im Laufe der Zeit zu verfeinern. Darüber hinaus können solche Apps die Aufmerksamkeit und Problemlösungsfähigkeiten fördern, indem sie die Nutzer dazu anregen, komplexe rhythmische Muster zu erkennen und zu reproduzieren. Einige dieser Anwendungen bieten akustische und visuelle Begleitung, um die Anwender zu unterstützen. Ursprünglich für Musiker wie Schlagzeuger entwickelt, die von einem präzisen Rhythmus profitieren, können diese Apps auch effektiv ins neuroathletische Training integriert werden. Die Nutzung von Metronom-Apps wie Pro Metronome ermöglicht die Aktivierung verschiedener neuronaler Netzwerke, insbesondere die Basalganglien, die eng mit der Bewegungsplanung verbunden sind. Da Menschen bei Aktivität einem natürlichen inneren Rhythmus folgen, stellen extern regulierte Tempi einen bedeutenden Trainingsreiz dar. Darüber I hinaus können Bewegungen im Einklang mit einem externen Rhythmus das Kleinhirn stimulieren, das für die Bewegungsgenauigkeit, das Gleichgewicht und die Koordination verantwortlich ist. Diese Apps fördern präzise Bewegungen und tragen dazu bei die Feinmotorik und die Koordination zu verbessern.

SNELLEN-APPS

In der Vielfalt visueller Applikationen existieren zahlreiche optische Tests, die dazu dienen, das Sehvermögen zu prüfen und eventuelle Probleme in der visuellen Wahrnehmung zu identifizieren. Diese Apps bieten Übungen, um das visuelle System sowie die Koordination der Augenmuskulatur zu trainieren. Besonders geeignet sind solche mit einem Snellen- Diagramm, das man von einem Optiker kennt. Bei bestimmten Lichtverhältnissen soll der sitzende Patient auf dem Diagramm immer kleiner werdende Buchstaben erkennen. Eine der bekanntesten Snellen- Apps ist Eye Chart HD. Sie nutzt das gleiche Setup, ermöglicht jedoch die Nutzung in sportlichen Situationen – sei es in Bewegung, im Stehen oder im Sitzen. Ein weiterer interessanter Aspekt der Eye Chart App ist die Randomisierungsfunktion. Die digitale Tafel mit den variierenden Buchstaben kann nach jedem Durchgang neu angeordnet werden, um mögliche Erinnerungseffekte zu vermeiden. Zusätzlich kann die Bildschirmfarbe verändert werden, um die Sehschärfe unter verschiedenen Bedingungen zu testen und neurologische Effekte durch Farbänderungen zu untersuchen.
Durch Eye Chart HD können spezifische Informationen über das Gleichgewichtsorgan abgeleitet werden. Indem die App nach vorn gehalten und der Kopf zur Seite geneigt wird, um etwa 20 Sekunden lang auf die Linse zu schauen, können anhand des Grades der Buchstabenschwankungen Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit des Utriculus gezogen werden, der für horizontale Bewegungen im Raum verantwortlich ist.

ERKENNUNGS-APPS

Hierfür wird stellvertretend die Recognise App vorgestellt. Sie ist ein innovatives Tool, das darauf abzielt, die kognitiven Fähigkeiten in Bezug auf Schmerzwahrnehmung und motorische Kontrolle zu verbessern. Sie ist in verschiedenen Versionen erhältlich, die sich auf spezifische Körperbereiche wie Hände, Füße und Knie konzentrieren. Der Nutzer muss auf dem mobilen Bildschirm verschiedene Körperteile in diversen Positionen identifizieren und entscheiden, ob es sich beispielsweise um eine rechte oder linke Hand handelt. Am Ende des Durchlaufs erfolgt eine Auswertung, die Aufschluss über die Leistung des Nutzers gibt.
Ein Training mit der Recognise App könnte folgendermaßen aussehen: Eine Person mit Schmerzen in der Hand betrachtet 30 Bilder für jeweils maximal zwei Sekunden und erkennet dabei, welche Seite abgebildet ist – je schneller, desto besser. Am Ende wird auswertet, wie viele Bilder der Testreihe richtig identifiziert wurden. Bei unzureichenden Ergebnissen kann der Trainierende das Training entsprechend anpassen und das Schmerzlevel vor und nach der Nutzung der App vergleichen.
Die Recognise App beeinflusst maßgeblich den Thalamus, eine Filterinstanz, die reguliert, welche Informationen unserer Sinnesorgane ins Bewusstsein dringen. Eine optimale Regulation des Thalamus ist entscheidend, um Bewegungseinschränkungen und Schmerzprobleme zu verhindern. Daher ist eine Aktivierung durch die App äußerst förderlich.

STROOP-EFFECT-APP

Die Stroop-Effect-App verbessert die kognitive Flexibilität sowie die Aufmerksamkeit und lässt sich effektiv in das neuroathletische Training integrieren. Sie unterstützt die Steigerung der Konzentrationsfähigkeit, das Multitasking, das schnelle Denken und die Reaktionsschnelligkeit.
Die App basiert auf dem klassischen Stroop-Test, bei dem Nutzer Wörter in kongruenten oder inkongruenten Farben präsentiert werden. Die Aufgabe besteht darin, möglichst schnell die Farbe zu nennen, in der das Wort geschrieben ist, unabhängig von der Bedeutung des Wortes. Alternativ kann das Spiel umgekehrt werden, und der Nutzer muss die Bedeutung des Wortes erkennen, unabhängig von der Farbe, in der es geschrieben ist.
Es werden verschiedene Schwierigkeitsstufen angeboten, von leicht bis schwer, so kann der Nutzer den Test schrittweise anspruchsvoller gestalten. Zudem wird eine Leistungsverfolgung ermöglicht, damit die Nutzer ihre Fortschritte im Laufe der Zeit nachvollziehen können.
Die Stroop-Effect-App beeinflusst insbesondere den Frontallappen des Gehirns. Dieser Bereich ist für diverse Funktionen verantwortlich, einschließlich Entscheidungsfindung und motorische Bewegungen. Der Frontallappen spielt eine Schlüsselrolle bei der Kontrolle komplexer Verhaltensweisen und der Regulation von Emotionen. Ein gesunder Frontallappen ist entscheidend für die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. Eine suboptimale Regulation in diesem Bereich kann zu Beeinträchtigungen bei der Entscheidungsfindung und der motorischen Bewegung führen.

DIGITALE SPIEGELBOX

Die Mirror Box App basiert auf der Spiegelbox-Therapie, einer Methode zur Schmerzlinderung und Verbesserung der Beweglichkeit bei Personen mit chronischen Schmerzen oder Nervenverletzungen. Die ursprüngliche Spiegelbox ist ein Kasten mit einem Spiegel auf einer Seite und einer Öffnung auf der anderen Seite. Der Nutzer platziert die betroffene Gliedmaße in der Öffnung und betrachtet die Reflexion der gesunden Gliedmaße.
Die Grundidee dieser Therapie ist, dass das Gehirn die reflektierte Bewegung als Bewegung der betroffenen Gliedmaße wahrnimmt. Durch diese kognitive Verzerrung können Schmerzen nicht mehr als Signal interpretiert werden, da der Thalamus, der für die Schmerzempfindung zuständig ist, nicht mehr aktiviert wird. Somit kann die App langfristig helfen, das schmerzende Körperteil belastbarer zu machen und, dass sich die Aktivierung des Thalamus positiv auf die motorische Leistungsfähigkeit auswirkt. Die moderne Mirror Box App bringt die Spiegelansicht direkt auf den Handybildschirm. Sie bietet verschiedene Übungen, die den Nutzern unterstützen, den Bewegungsumfang, die Kraft und die Koordination zu verbessern.

APP ZUR KORTEXAKTIVIERUNG

OptoDrum ist eine speziell entwickelte App, die Menschen dabei unterstützt visuelle Fähigkeiten zu trainieren. Sie verwendet spezielle Muster, um verschiedene Aspekte der Sehleistung zu testen. Die App wird in einer neutralen Standposition genutzt. Dabei wird das Smartphone auf Augenhöhe gehalten, sodass die schwarz-weißen Balken auf dem Bildschirm in die gewünschte Richtung laufen. Die Geschwindigkeit und Stärke der Balken können individuell angepasst werden. Der Blick des Nutzers sollte dabei locker und entspannt auf den mittleren Balken gerichtet sein. Der Nutzer verfolgt diesen Balken bis zum Rand des Smartphones und springt dann zurück zum nächsten mittleren Balken, um diesem erneut zu folgen. Dieser Ablauf wird je nach aktueller Leistungsfähigkeit mehrmals wiederholt.
Die Effekte von OptoDrum sind beachtlich. Studien zeigen, dass das Training mit OptoDrum strukturelle Veränderungen im Gehirn bewirken kann, insbesondere im Parietallappen und Frontallappen. Der Parietallappen ist für die Verarbeitung von sensorischen Informationen und die räumliche Orientierung verantwortlich, während der Frontallappen komplexe kognitive Funktionen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Entscheidungsfindung steuert. Durch das Training mit OptoDrum werden diese Gehirnregionen aktiviert und gestärkt, was zu einer verbesserten Wahrnehmungsfähigkeit und erhöhten kognitiven Leistungsfähigkeit führen kann.

FAZIT

Die vorgestellten Funktionen und Apps können Athleten, Leistungssportler sowie Freizeit- und Gesundheitssportler dabei unterstützen, ihre mentale und körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern und Schmerzen zu lindern. Sie können als Ergänzung zum physischen Training und zur Entspannung genutzt werden, zur mentalen Vorbereitung auf Wettkämpfe und zur Steigerung der mentalen Belastbarkeit dienen.


YASSIN JEBRINI

Der Sportwissenschaftler M.A. und Z-Health-Absolvent arbeitet als Neuroathletiktrainer mit Profi- und Freizeitsportlern. Zusätzlich ist er als Referent tätig und bildet Trainer in Neuroathletik aus.
www.jebrini-training.de


Fotos:  Jacob Lund – stock.adobe.com


Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 6-2023:

 

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Chancen, rechtliche Aspekte und Haftung

Die Fitnessbranche erlebt durch den Einfluss moderner Technologien und künstlicher Intelligenz eine digitale Transformation. Einer dieser innovativen Ansätze ist die Integration von ChatGPT in den Arbeitsalltag von Personal Trainern. In diesem Artikel beleuchtet die Anwältin für Fitness- und Gesundheitsrecht, Julia Ruch, die Chancen, die rechtlichen Aspekte und die Haftungsfragen, die sich für Trainer mit der Nutzung von ChatGPT ergeben.

ChatGPT (Chatbot Generative Pre-trained Transformer) kann dazu beitragen, den eigenen Wissensstand schnell und einfach zu erweitern, indem es innerhalb von Sekunden Informationen zu neuen Trends, wissenschaftlichen Erkenntnissen und bewährten Methoden im Fitnessbereich liefert. Da ChatGPT auf eine große Menge an Textdaten trainiert wurde, kann es eine Vielzahl von Fitnessthemen abdecken und grundlegende Informationen zu verschiedenen Übungen, Trainingsmethoden, Ernährung, Fitnesszielen und anderen damit verbundenen Themen bereitstellen.

PERSONAL TRAINER

Als Fitnesstrainer kann ChatGPT zum Beispiel dazu genutzt werden, Trainingsprogramme zu ergänzen, Fortschritte auszuwerten und Motivationsideen zu entwickeln. Dies erweitert das Portfolio und fördert das Engagement der Kunden, was wiederum dazu beitragen kann, dass diese motiviert bleiben und das Training kontinuierlich fortsetzen.
Besonders spannend ist, dass ChatGPT bei der Erstellung von Texten sehr gute Arbeit leistet und dies zum Beispiel für die Erstellung von Social Media Posts genutzt werden kann. Es besteht die Möglichkeit, einen eigenen Newsletter Text oder Fachartikel hochzuladen und das Programm zu bitten, die wichtigen Informationen herauszufiltern. Anschließend kann es daraus mehrere Social Media Posts erstellen. Wenn der Text zu formal erscheint, kann dem Programm mitgeteilt werden, diesen humorvoller, lebendiger oder emotionaler zu gestalten. Diese Anpassung ist ebenfalls möglich.
ChatGPT eröffnet Personal Trainern eine vielfältige Bandbreite an Möglichkeiten. Jedoch sollte dabei immer bedacht werden, dass es ein sprachund textbasierter Chatbot ist. Der Fokus des Programms liegt darauf, menschliche Sprache zu simulieren und nicht Fakten wiederzugeben. Daher kommt es nicht selten vor, dass der Chatbot Informationen und Quellenangaben erfindet, die plausibel klingen, aber nicht existieren. Man nennt das „Halluzinieren“. Die Programmierer sind sich dessen bewusst. In der Bezahlversion werden Falschaussagen bereits zuverlässiger herausgefiltert, Vorsicht ist aber weiterhin geboten. Es ist darüber hinaus noch wenig bekannt, wie ChatGPT die ausgegebenen Daten ermittelt und zusammenstellt.
Weiter ist unbedingt zu beachten, dass ChatGPT in der kostenlosen Version nur mit Textdaten bis Oktober 2021 trainiert wurde. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, Trends und neuen Methoden nach Oktober 2021, kennt ChatGPT nicht.
Letztlich ist wichtig zu betonen, dass ChatGPT kein Fachexperte ist. Es werden keine Abwägungen und Ermessensentscheidungen vorgenommen, die Fakten werden nicht auf Richtigkeit überprüft und die Antworten basieren auf allgemeinen Informationen, die im Internet bereitgestellt wurden.

DATENSCHUTZ

Die Nutzung wirft wichtige rechtliche Fragen auf, die Personal Trainer berücksichtigen sollten, denn auch in Bezug auf ChatGPT gilt die DSGVO. Es ist vergleichbar mit der Nutzung eines Newsletter-Tools. Dort werden ebenso Kundendaten an den Anbieter weitergegeben, damit dieser den Newsletter verschicken kann. Genauso verhält es sich bei ChatGPT, wenn Kundendaten in der Anfrage eingegeben werden, um zum Beispiel individuelle Trainingsprogramme und darauf ausgerichtete Ernährungspläne zu erstellen.
So wie mit dem Anbieter des Newsletter- Tools müsste mit OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT, ein sogenannter Auftragsverarbeitungsvertrag abgeschlossen werden. Ohne den Abschluss eines solchen Vertrages verstößt die Übermittlung von personenbezogenen Daten gegen die DSGVO. Noch brisanter wird es bei der Übertragung von personenbezogenen Gesundheitsdaten an den Chatbot. OpenAI schließt jedoch solche Vereinbarung nur mit Nutzern der GPT-Programmierschnittstelle ab, nicht jedoch mit dem Endnutzer. Daher sollten immer nur anonymisierte Daten bei ChatGPT eingegeben werden.

URHEBERRECHT

Nach dem deutschen Urheberrecht ist nur eine geistige Schöpfung eines Menschen urheberrechtsfähig. Bisher ist bezüglich ChatGPT nicht geklärt, wo der kreative Prozess liegt: Ist der Mensch vor dem Rechner der Ideengeber und ChatGPT nur das Werkzeug oder erbringt das Programm die kreative Leistung?
Nach aktuellem Stand und Verlautbarung der Europäischen Union sind die Ergebnisse nicht urheberrechtsfähig. Damit gehören die Ergebnisse allen und jedem und können frei verwendet werden. Hier muss die entsprechende Gesetzgebung abgewartet werden.

HAFTUNG UND VERANTWORTUNG

Es ist auch wichtig zu bedenken, wie es um die persönliche Haftung steht, wenn ein Personal Trainer falsche Informationen von ChatGPT an den Kunden weitergibt und dieser daraufhin eine Verletzung oder einen Schaden sonstiger Art erleidet.
Denkbar wäre eine Haftung auf Schadensersatz nach § 823 I BGB, indem durch eine fahrlässig oder vorsätzlich falsche Benutzung der KI das Leben, Körper oder Gesundheit des Kunden verletzt wird. Dies wäre der Fall, wenn der Trainer zum Beispiel einen Fehler bei der Dateneingabe macht oder die Frage missverständlich formuliert, sodass ChatGPT unpassende Hinweise ausgibt. Gleichermaßen könnte auch der Trainer die Ergebnisse fehlerhaft interpretieren und falsch weitergeben.
Die eigentliche Frage ist daher, ob ein Personal Trainer schuldhaft handelt, wenn er sich auf die KI verlässt. Auch hier wird eine herkömmliche juristische Beurteilung vorgenommen. Es ist wie sonst auch entscheidend, ob der Personal Trainer bei der Benutzung des Programms die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat.
Grundsätzlich handelt der Anwender nicht fahrlässig, wenn er die Software ordnungsgemäß bedient oder mögliche Konstruktionsfehler der Software nicht erkennen konnte.
Das klingt zwar zunächst gut, jedoch verfügt ChatGPT über eine integrierte Sicherheitsvorkehrung, insbesondere bei Gesundheitsinformationen. In solchen Fällen weist das Programm darauf hin, dass eine qualifizierte Fachperson konsultiert werden sollte und die bereitgestellten Ergebnisse lediglich informativen Zwecken dienen.
Die Sperre deutet darauf hin, dass den Entwicklern die Gefahren bei der Verarbeitung von Gesundheitsinformationen bekannt sind und diese durch solche Vorkehrungen verhindert werden sollen.
Zur „erforderlichen Sorgfalt“ gehört neben der ordnungsgemäßen Bedienung des Programms auch die Verantwortung, die Ergebnisse zu überprüfen. So kann jedenfalls dann von einem Verschulden ausgegangen werden, wenn der Trainer sich überwiegend auf die von der KI erstellten Diagnosen und Empfehlungen verlässt und keine Überprüfung und Anpassung auf den individuellen Kunden vornimmt. Es mag zunächst den Anschein haben, dass niemand erfährt, wenn ChatGPT verwendet wurde. Das ist grundsätzlich richtig. Doch wenn ein Kunde Schadensersatz oder Rückerstattung von Kosten von seiner Krankenkasse verlangt, muss der Trainer, um solche Forderungen abzuwehren, nachweisen können, dass er alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um den Kunden vor Schäden zu schützen. Dies bedeutet, vor Gericht erklären zu müssen, warum zum Beispiel eine bestimmte Übung für diesen speziellen Kunden als sicher und geeignet angesehen wurde. Wer dann keine schlüssige Erklärung liefern kann, weil sich ausschließlich auf Informationen von ChatGPT verlassen wurde, steht vor einem ernsthaften Problem.

FAZIT

Die Integration von ChatGPT bietet Personal Trainern innovative Wege, ihren Kundenstamm zu betreuen und zu erweitern. Dennoch sollten die rechtlichen Aspekte nicht außer Acht gelassen werden. Es sollte eine ausgewogene Herangehensweise gewählt werden, indem ChatGPT als Werkzeug betrachtet wird, das Fachkenntnisse ergänzen kann. Durch die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen und die sorgfältige Prüfung der bereitgestellten Informationen können Personal Trainer das Potenzial von ChatGPT verantwortungsbewusst für sich nutzen und dabei sowohl ihre Kunden als auch sich selbst schützen.


JULIA RUCH

ist Anwältin für die Gesundheits- & Fitnessbranche. Sie hat sich mit Ihrer Kanzlei auf die Beratung von Studios, Personal Trainern sowie Therapie & Praxen spezialisiert.
www.aktivkanzlei.de


Fotos:  LIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.com


Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 6-2023:

 

 

Better safe than sorry!

Selbstständige Personaltrainer sind häufig nicht ausreichend auf mögliche rechtliche Herausforderungen vorbereitet, die im Rahmen ihrer Tätigkeit auftreten können. Gerade in Bezug auf Werbung und Marketing besteht ein erhöhtes Risiko – wenn auch unabsichtlich – Gesetze zu verletzen. Um rechtlichen Problemen vorzubeugen, ist es ratsam, sich eingehend mit den zulässigen Werbemethoden vertraut zu machen. Die Anwältin für Sportrecht, Julia Ruch, klärt hierzu auf.

Neben der klassischen Weiterempfehlung hat sich im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung die Online-Akquise als wirksame Werbemöglichkeit für Personaltrainer und Fitnessstudio-Betreiber fest etabliert, um potenzielle neue Kunden zu erreichen. Die Vorteile, die eigene Marke und Dienstleistungen über die eigene Website und/oder über Social Media zu bewerben, treten schnell in den Hintergrund, wenn die Werbung nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Dabei ist vielen Werbetreibenden die Tragweite unzulässiger Werbeaussagen nicht ausreichend bewusst, und Unwissenheit schützt bekanntlich nicht vor Strafe. Die rechtlichen Konsequenzen können drastisch sein. Es drohen Abmahnungen mit Unterlassungserklärungen, Schadensersatzforderungen, Strafzahlungen bis hin zu Gefängnisstrafen.

DIESE GESETZE SIND WICHTIG

Die juristischen Anforderungen im Bereich Fitness und Gesundheit sind vielschichtig. Wer Werbung in diesem Bereich betreiben möchte, sollte sich vorher unbedingt mit dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) und dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) beschäftigt haben.
Nach dem UWG soll einerseits ein fairer Wettbewerb zwischen Konkurrenten gewährleistet und andererseits der Verbraucher vor irreführender und manipulierender Werbung geschützt werden. Ein Konkurrent kann beispielsweise bei irreführender Werbung eine Abmahnung aussprechen, unabhängig davon, ob der Werbetreibende bewusst einen Wettbewerbsvorteil erlangen wollte oder aus schlichter Unwissenheit gehandelt hat.
Weitere Vorgaben und Einschränkungen ergeben sich aus dem Heilmittelwerbegesetz (HWG). Es dient ebenfalls dem Verbraucherschutz und stellt sicher, dass Werbung wahrheitsgemäß und ethisch korrekt ist. Jeder, der mit gesundheitsbezogenen Aussagen wirbt, muss das HWG beachten – unabhängig davon, ob es sich um den Inhaber eines Fitnessstudios, einen Personaltrainer oder einen Sportmediziner handelt. Ausschlaggebend ist dabei einzig und allein die konkrete Aussage. Richtet sich die Werbung nicht an Verbraucher, sondern an Fachpublikum, ergibt sich eine Unterscheidung nach dem Gesetz.

WERBEVERBOTE

Das Heilmittelwerbegesetz erfasst sowohl Heilversprechen als auch Wirkaussagen und erlaubt nur in sehr engen Grenzen Werbeaussagen. Daher sind folgende beispielhafte Werbeaussagen verboten, da sie eine gewisse Wirkung oder Heilung suggerieren und Werbetreibende sich der Gefahr einer Abmahnung aussetzen, wenn sie diese verwenden. Zur Verdeutlichung im Folgenden einige Beispiele aus der Praxis.

Eine Trainerin bot auf ihrer Website neben Laufkursen auch das Kleben von Kinesio-Tapes an und beschrieb in dem Verkaufstext, wie diese die Muskulatur entlasten, die Beweglichkeit verbessern und Beschwerden lindern können. Daraufhin wurde sie vom Verband sozialer Wettbewerb e.V. abgemahnt und eine Unterlassungsklage angedroht. Die Gerichte, einschließlich des Bundesgerichtshofs, haben sich zwischenzeitlich ausführlich mit der Thematik „Wirkaussagen bei Kinesio-Tapes“ beschäftigt und festgestellt, dass Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, diese Voraussetzung jedoch für die Tapes nicht gegeben ist.
Ebenfalls wurde Werbung für Kältebehandlungen, sogenanntes „CoolSculpting“, zur Reduzierung von Körperfett, als unlauter und verboten von den Gerichten eingestuft, da ein wissenschaftlicher Wirknachweis fehlt.
Ebenso haben die Gerichte die therapeutischen Wirkbehauptungen für Massagematten als verboten angesehen, da nicht belegt werden konnte, dass diese die Ganzkörperdurchblutung fördern, körpereigene Umverteilungsprozesse unterstützen und zur Ganzkörperregeneration beitragen. Zudem existieren wissenschaftliche Gegenmeinungen zu ihrer Wirkung.
Veröffentlichte Kundenmeinungen und Dankesbotschaften stellen eine Form der Werbung dar. Diese dürfen nur veröffentlicht werden, wenn die abgebildete Person tatsächlich mit der Methode behandelt wurde und der Kunde für die Bewertung nicht bezahlt oder anderweitig entlohnt wurde. Ein wirtschaftliches Interesse darf nicht dahinterstehen. Wichtig ist außerdem, dass der Behandlungs- oder Trainingserfolg nicht übertrieben und undifferenziert dargestellt werden darf. Es muss immer deutlich sein, dass sich diese Bewertung auf den Einzelfall dieses Kunden bezieht und kein allgemeines Wirkversprechen für die angewandte Trainingsmethode ist.

ERLAUBTE WERBEAUSSAGEN

Neben sämtlichen Verboten sind im HWG auch Werbemaßnahmen aufgeführt, die zulässig sind. Voraussetzung dabei ist jedoch immer, dass diese nicht „missbräuchlich, abstoßend oder irreführend“ sind.
Unproblematisch sind zusammenfassende Aussagen mehrerer Kunden – vorausgesetzt, sie entsprechen tatsächlich der Wahrheit. Zum Beispiel: „Rund zwei Drittel meiner Kunden berichten nach nur drei Einheiten über mehr Beweglichkeit im Nacken- und Schulterbereich.“
Ebenfalls von den Verboten des HWG nicht erfasst sind Bewertungen, die sich auf die Art und Weise des Trainings beziehen. Zum Beispiel: „Coach Daniel hat das Training immer wieder an meine berufliche Situation angepasst, was erheblich zum Erfolg meiner Gewichtsabnahme beigetragen hat.“
Bei Wirkaussagen empfiehlt es sich, diese komplett zu vermeiden und stattdessen zu beschreiben, was bei der Anwendung passiert oder wie andere Kunden darauf reagiert haben. Zum Beispiel: „Mit Taping versuchen wir die Spannungen in deinen Muskeln und Bändern zu lösen, um eine Schmerzlinderung zu erreichen.“ Falls dennoch eine Wirkaussage veröffentlicht werden soll, sollte sich diese immer auf einen konkreten Kunden beziehen, der diese Erfahrung auch tatsächlich gemacht hat. Denn im Ernstfall müsste dieser vor Gericht gegebenenfalls aussagen. Zum Beispiel: „Bei meiner Kundin Sandra hat das Tape eine muskuläre Entspannung herbeigeführt und damit den Zug der Muskulatur auf die Sehnenplatte vermindert, was zu einer Verminderung ihrer Knieschmerzen geführt hat.“

KEINE WIRKAUSSAGEN OHNE WISSENSCHAFTLICHEN NACHWEIS

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 06.02.2013 festgelegt, dass Studienergebnisse grundsätzlich nur dann den Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg entsprechen, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Hierfür ist im Regelfall eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung erforderlich, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen wurde beziehungsweise weiterhin einbezogen wird.

BENNENUNG VON RISIKEN ERFORDERLICH

Geschäftliche Handlungen, einschließlich Werbung, gelten als irreführend und sind zu unterlassen, wenn sie nicht über die bestehenden Risiken einer Dienstleistung aufklären. Als irreführend werden alle zur Täuschung geeignet Angaben angesehen, zum Beispiel unwahre, unrichtige Auskünfte über die Anwendungsdauer einer Methode oder das Verheimlichen von Nebenwirkungen. Zu einer tatsächlichen Täuschung muss es dabei nicht gekommen sein. Es genügt, wenn die Verbraucher durch die Angabe getäuscht werden könnten. Ebenso ist es untersagt, falsche oder übertriebene Aussagen über die angebotenen Dienstleistungen zu machen. Beispiele wären unrealistische Versprechen bezüglich Gewichtsverlusts oder falsche Behauptungen über die Wirksamkeit bestimmter Trainingsmethoden.

RECHTSSICHERE WERBUNG ERSTELLEN

Um rechtssichere Werbeaussagen zu formulieren, ist es ratsam, sich in die Lage eines unwissenden, durchschnittlich gebildeten Endverbrauchers im Gesundheitsbereich zu versetzen. Frage dich, was ein unerfahrener oder nur wenig mit dem beworbenen Thema vertrauter Interessent glauben würde. Falls der potenzielle Kunde aufgrund deiner Werbung von der Wirksamkeit deiner Dienstleistung oder deines Produkts überzeugt wäre, sollte die Werbeaussage angepasst werden. Dabei ist zu beachten, dass die Werbung mit Wirkaussagen genauso zu unterlassen ist wie die Äußerung von Heilversprechen. Es ist wichtig, sich in die Situation eines Betroffenen zu versetzen und zu überprüfen, ob er sich von den Wirkversprechen der Werbung zur Behandlung verleiten lassen könnte. Selbst wenn das Ziel darin besteht, Kunden zu gewinnen, muss die Aussage dennoch umformuliert werden, da bereits die Verleitung untersagt ist. Ein Kunde muss die Möglichkeit haben, objektiv herauszufinden, ob eine Behandlung bei einer speziellen Erkrankung wirklich erfolgsversprechend ist. Falls der Verzicht auf Werbung keine Option ist, muss in aller Deutlichkeit immer wieder darauf hinweisen werden, dass es sich um persönliche Erfahrungen handelt und die Wirkung nur vermutet, aber nicht gesichert ist. Dadurch ist eine rechtssichere Werbepraxis gewährleistet.
Rechtssichere Werbung in den Bereichen Fitness und Gesundheit kann herausfordernd sein, aber keineswegs unmöglich. Eine gründliche Überprüfung von Website, Social Media Posts und Anzeigen auf verbotene Werbung nach dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) und dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) ist durchaus ratsam. Bei bestehenden Unsicherheiten kann eine rechtliche Beratung helfen, mögliche Risiken zu identifizieren und sicherzustellen, dass die Werbung den rechtlichen Vorgaben entspricht.


Julia Ruch
ist Triathletin und Anwältin für Sportrecht. Mit ihrer aktivKANZLEI hat sie sich auf die Rechtsberatung von Fitnessstudios und Personal Trainern spezialisiert. Expertin für Rechtssicherheit im Training und Wettkampf
www.aktivkanzlei.de

Rechtsanwältin Julia Ruch bietet eine Online-Sprechstunde an, die speziell auf die rechtlichen Aspekte der Fitnessbranche zugeschnitten ist. Details zur Sprechstunde und die Anmeldung findest du hier:
https://www.aktivkanzlei.de/beratungsschwerpunkte/sprechstunde


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Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 5-2023:

 

Die verschiedenen Perspektiven des Wohlbefindens

In unserer hektischen Welt gewinnt das Streben nach Wohlbefinden mehr und mehr an Bedeutung. Doch was genau bedeutet Wohlbefinden und wie können wir es erreichen? In diesem Artikel beleuchtet Luise Walther die verschiedenen Perspektiven zum Thema Well-being und zeigt auf, wie intelligentes Handeln im Fitness- und Trainingsbereich zu einem ganzheitlichen Wohlbefinden beitragen kann.

DIE DREI EBENEN DES WOHLBEFINDENS

„Well-being“ ist mehr als ein Trend und ist umfangreicher, als vielen bewusst ist. Das Wohlbefinden geht über ein einfaches „Es geht mir gut“ hinaus.
Die psychologische Perspektive des Wohlbefindens:
Unter psychologischem Wohlbefinden verstehen wir subjektive Empfindungen wie Zufriedenheit, Glück und Lebenserfüllung. Es umfasst emotionales, kognitives und soziales Wohlbefinden. Um psychologisches Wohlbefinden zu fördern, ist es wichtig, auf unsere Gedanken, Gefühle und Beziehungen zu achten. In den Bereichen Fitness und Training können wir das psychische Wohlbefinden durch mentales Training, positive Affirmationen und soziale Interaktionen verbessern.
Die physische Perspektive des Wohlbefindens:
Physisches Wohlbefinden bezieht sich auf die körperliche Gesundheit, Fitness und Vitalität. Es umfasst Aspekte wie körperliche Aktivität, Ernährung, Schlaf und Entspannung. Durch regelmäßige Bewegung, ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf, können wir unser körperliches Wohlbefinden verbessern. Im Fitness- und Trainingsbereich kommt es auf ein ausgewogenes Training an, das Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Kognition gleichermaßen berücksichtigt.
Die soziale Perspektive des Wohlbefindens:
Soziales Wohlbefinden bezieht sich auf unsere sozialen Beziehungen, Zugehörigkeit und Interaktionen mit anderen Menschen. Eine starke soziale Unterstützung und ein Gefühl der Zugehörigkeit sind wichtige Faktoren für unser Wohlbefinden. Im Fitness- und Trainingsumfeld können wir durch Gruppenaktivitäten, Teamarbeit und gemeinsame Ziele soziale Bindungen stärken und damit unser soziales Wohlbefinden fördern.


DAS FÜNF-SÄULEN-MODELL DER POSITIVEN PSYCHOLOGIE
Martin Seligman, einer der Begründer der positiven Psychologie, beschreibt in seinem Buch „Flourish – Wie Menschen aufblühen. Die positive Psychologie des gelingenden Lebens“ ein dynamisches Konzept, das mehrdimensional ist und fünf Ebenen umfasst:

  1. Positive Emotionen
  2. Engagement
  3. Positive Beziehungen
  4. Sinn
  5. Errungenschaften

IMPLEMENTATION IN FITNESS UND TRAINING

Das Wohlbefinden steht in einem engen Zusammenhang mit der Gesundheit und Lebensqualität. Durch Berücksichtigung psychischer, physischer und sozialer Aspekte können wir sicherstellen, dass unsere Trainingsprogramme nicht nur körperlich, sondern auch mental und emotional unterstützend wirken. Wir erzielen somit langfristige Erfolge und tragen zum ganzheitlichen Wohlbefinden unserer Trainierenden bei.

IST WOHLBEFINDEN MESSBAR?

Der allgemeine Trend zum Sammeln und Messen von Daten und Einflussfaktoren setzt sich auch im Bereich des Wohlbefindens durch. Beispiele hierfür sind der „Better-Life-Index“ oder die „National Accounts of Well-being“. Der „Better-Life-Index“ beispielsweise berücksichtigt folgende Indikatoren:

  • Wohnen (Wohnungen ohne Grundausstattung, Ausgaben für Wohnen, Zimmer pro Person)
  • Einkommen (verfügbares bereinigtes Haushaltsnettoeinkommen, Nettogeldvermögen der Haushalte)
  • Beschäftigung (Beschäftigungsquote, Arbeitsplatzsicherheit, Langzeitarbeitslosenquote, persönliches Einkommen)
  • Gemeinschaft (Qualität des Unterstützungsnetzwerks)
  • Bildung (Bildungsniveau, Fähigkeiten der Schüler, Ausbildungsjahre)
  • Umwelt (Luftverschmutzung, Qualität des Wassers)
  • Bürgerschaftliches Engagement (Konsultation in der Gesetzgebung, Wahlbeteiligung)
  • Gesundheit (Lebenserwartung, Selbsteinschätzung der Gesundheit)
  • Zufriedenheit (Lebenszufriedenheit)
  • Sicherheit (Raubrate, Mordrate)
  • Work-Life-Balance (Zeit für Freizeit und Körperpflege, Work-Life-Balance)

Die verschiedenen Indizes bieten zahlreiche Möglichkeiten, das eigene Wohlbefinden zu verbessern. Es kann jedoch schnell überfordernd sein, sich in dieser Bandbreite mit dem Thema zu beschäftigen und gerade im Training die Erwartungen und Bereitschaft übersteigen, auch wenn es aus ganzheitlicher Sicht sinnvoll erscheint.

WOHLBEFINDEN AUS NEUROZENTRIERTER SICHT

Aus neurozentrierter Sicht gibt es verschiedene Möglichkeiten, das eigene Wohlbefinden zu steigern. Im Folgenden werden einige Ansätze vorgestellt, die auf Erkenntnissen der Neurowissenschaften basieren und die die drei Ebenen der Informationsaufnahme des Körpers berücksichtigen. Die Begriffe Interozeption, Exterozeption und Propriozeption sind eng mit der Körperwahrnehmung verbunden und spielen eine wichtige Rolle für unser Wohlbefinden. Jeder dieser Begriffe beschreibt eine bestimmte Wahrnehmungsebene und liefert uns Informationen über unseren Körper und unsere Umwelt. Hier sind einige Möglichkeiten, wie diese Ebenen genutzt werden können, um unser Wohlbefinden zu verbessern:
Interozeption: Interozeption bezieht sich auf die Wahrnehmung körperlicher Empfindungen und innerer Zustände wie Herzschlag, Atmung, Hunger oder Stress. Um das Wohlbefinden zu steigern, ist es wichtig, auf die Signale des eigenen Körpers zu achten und angemessen darauf zu reagieren. Dazu gehören zum Beispiel regelmäßige Entspannungsübungen wie Meditation oder Atemtechniken, um Stress abzubauen und eine bewusste Verbindung zum eigenen Körper herzustellen.
Exterozeption: Exterozeption bezeichnet die Wahrnehmung der Umwelt und äußerer Reize wie Berührungen, Geräusche oder visuelle Eindrücke. Um das Wohlbefinden zu steigern, können bewusst positive Sinneserfahrungen gesucht werden, wie zum Beispiel ein Spaziergang in der Natur, das Hören beruhigender Musik oder das Genießen einer angenehmen Massage. Durch die bewusste Aufmerksamkeit auf angenehme Sinneseindrücke, kann das Nervensystem beruhigt und das Wohlbefinden gesteigert werden.
Propriozeption: Unter Propriozeption versteht man die Wahrnehmung der Lage und Bewegung des Körpers im Raum. Um das Wohlbefinden zu steigern, ist es wichtig, den Körper ausreichend zu bewegen und für Abwechslung zu sorgen. Dies kann zum Beispiel durch regelmäßige körperliche Aktivität, Yoga oder Dehnübungen erreicht werden. Bewusste Bewegung und die Förderung von Beweglichkeit und Körperbewusstsein steigern das Wohlbefinden.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Ebenen der Körperwahrnehmung interagieren und sich gegenseitig beeinflussen. Ein ganzheitlicher Ansatz, der alle Ebenen berücksichtigt, kann daher besonders effektiv sein, um das Wohlbefinden zu verbessern. Indem man sich auf die Signale des eigenen Körpers konzentriert, angemessen auf äußere Reize reagiert und den Körper aktiv bewegt, kann man eine positive Verbindung zwischen Körper und Geist herstellen und das allgemeine Wohlbefinden steigern. Da jeder Mensch individuell ist, können verschiedene Ansätze unterschiedlich wirksam sein. Es kann hilfreich sein, verschiedene Techniken auszuprobieren und herauszufinden, was für das eigene Wohlbefinden am besten funktioniert.


LUISE WALTHER
Die Berliner Personal Trainerin arbeitet an der Schnittstelle Medizin–Fitness. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Individualisierung und Professionalisierung von Reha- und Trainingsprozessen mit Fokus auf Schmerzreduzierung und Bewegungsoptimierung ihrer Kunden.
www.neurozentriertes-training.de


Fotos:  Miljan Zivković (AdobeStock – 547314921)


Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 5-2023:

 

Ihr Einfluss auf Wohlbefinden und sportliche Leistungsfähigkeit

Farben haben einen großen Einfluss auf unser allgemeines Wohlbefinden und unsere Leistung beim Sport. Dabei haben die verschiedenen Farben unterschiedliche Auswirkungen auf uns und unser Nervensystem. Neuroathletikausbilder und Coach Andreas Könings zeigt, welches Potenzial in Farben steckt und wie Farben optimal im Alltag und auch im Training eingesetzt werden können.

Farben beeinflussen unsere Leistung und unser Wohlbefinden – das steht außer Frage. Ihnen werden bestimmte psychologische Effekte zugesprochen, aber auch durch selbst gemachte Erfahrungen und Lernprozesse ordnen wir Farben oft automatisch eine Bedeutung zu. Rot wird als klassische Warnfarbe oftmals als negativ wahrgenommen und die Farbe Grün genau gegenteilig – nämlich als sicher und positiv. Da Farben so viele unterschiedliche Wirkungen zugesprochen werden, hat die Verwendung von farbigen Gläsern und Brillen mit farbigen Folien (Overlays) eine lange Geschichte im Bereich des visuellen Trainings mit einer teils bisher jedoch noch uneinheitlichen Studienlage. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass unser Nervensystem sehr individuell auf Farben reagiert.
Unumstritten ist, dass sich Farben auf unser Wohlbefinden, auf unsere Stimmung und auch auf die allgemeine visuelle Wahrnehmung und Entscheidungsfindung im Sport auswirken. Dies tun sie zum einen, indem sie die Klarheit des Bildes verändern und die Kontrastempfindlichkeit verbessern, aber auch durch die Aktivierung unseres Nervensystems. Diese Effekte können zum Beispiel durch das Tragen bestimmter getönter Brillengläser erreicht werden.
Wenn es um Bewegung geht, sind unsere Augen der wichtigste Informationsgeber für unser Gehirn. Jede Farbe hat eine spezielle Wellenlänge, die auf die Netzhaut unserer Augen trifft und von dort zum Gehirn geleitet wird, das letztendlich diese Informationen verarbeitet. Werden die eingehenden Informationen von unserem Nervensystem als positiv bewertet, so ergibt sich hieraus wiederum ein positiver Output. Dies kann zum Beispiel eine Leistungssteigerung, aber auch eine Schmerzreduktion sein. Wichtig hierbei ist zu verstehen, dass die Bewertung durch das Gehirn immer individuell ist. Die Wirkung einer Farbe auf ein Individuum bzw. auf einen Athleten muss daher vorab immer getestet werden.


Leistungssteigerung durch Farbe im Sport

Blau: Outdoor- und Ausdauersportarten bei Tageslicht
Rot: Outdoorsportarten vor grünem Hintergrund, wie Golf oder Fußball
Grün: Outdoorsportarten vor blauem Hintergrund, wie Wassersport
Gelb: Indoor-Sportarten unter künstlichem Licht, Outdoorsportarten
mit suboptimalen Lichtverhältnissen


FARBEN UND IHRE SPEZIELLE WIRKUNG

Jede Farbe wirkt aktivierend auf das Gehirn, wobei sich jedoch leichte Unterschiede zeigen. Blau beispielsweise bewirkt die stärkste globale kortikale Aktivierung, gefolgt von Rot und Grün. Um Farben im Sport oder auch im Alltag auf einfache und praktische Art und Weise zu nutzen, bieten sich sogenannte Farbbrillen an; diese könne je nach Situation und Bedarf getragen und dabei einfach gewechselt werden. Zusätzlich positiv an ihnen ist, dass sie ein „passives“ Tool sind. Um von der Wirkung zu profitieren, ist kein extra Zeitaufwand notwendig. Im Folgenden werden die einzelnen Farben und deren Wirkungen auf unser Nervensystem genauer beschrieben.

Blau

Wie bereits angesprochen, hat Blau die stärkste kortikale Aktivierung. Das Tragen einer blauen Farbbrille vermindert die Aktivität des vegetativen Nervensystems. Blau wirkt parasympathisch und hat daher eine entspannende und beruhigende Wirkung. Blau kann den sympathischen Tonus senken, was bedeutet, dass der Adrenalinspiegel sinkt, sich der Puls verlangsamt und die Muskeln entspannen und entkrampfen können. Dies kann insbesondere zur Förderung regenerativer Prozesse genutzt werde. Blaue Farbbrillen erhellen gelbes Licht und blockieren von außen eindringendes blaues Licht, was wir uns insbesondere beim Tageslicht zunutze machen können.
Licht mit einem hohen Blauanteil stimuliert die Melanopsin-Rezeptoren in der Retina, was wiederum unseren circadianen Rhythmus beeinflusst und uns wach macht. Da blaue Farbbrillen blaues Licht blockieren und die Helligkeit dimmen, kann die Farbe Blau daher auch bei Schlafschwierigkeiten unterstützend eingesetzt werden. Aufgrund dieser entspannenden Wirkung ist jedoch auch Vorsicht in der Anwendung bei bereits bestehender starker geistiger oder körperlicher Erschöpfung geboten, da unser Nervensystem sonst ggf. einfach zu stark herunterreguliert werden kann. Im Gegensatz dazu gibt es aber auch erste Studienhinweise darauf, dass Blau möglicherweise zu einer verbesserten Muskelausdauer führen kann, was natürlich im Ausdauersport hochinteressant wäre.

Rot

Die Farbe Rot wirkt stark aktivierend auf unser sympathisches System und erhöht die Gehirnaktivität. Sie fährt unser sympathisches Nervensystem hoch und bewirkt eine gesteigerte Aufmerksamkeit. Beim Tragen einer roten Brille schüttet unser Nervensystem verstärkt Adrenalin aus, der Blutdruck steigt an und die Atmung geht schneller. Der Sympathikus macht uns kampfbereit, was insbesondere im Sport zielführend sein kann, wenn es um die Verbesserung von Schnelligkeit, Reaktionsgeschwindigkeit und Kraftentfaltung geht. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Rot durch die genannten Mechanismen das Stresslevel erhöht. Stressanfällige Menschen oder solche, die Schwierigkeiten mit einer sympathischen Überreaktion haben, können daher auch negativ auf rote Farbbrillen reagieren. Hier kann es sogar zu einer Leistungsabnahme bzw. zu einer Verstärkung von Beschwerden und Schmerzen kommen.
Grundsätzlich verbessert Rot das Kontrastsehen und die Sehfähigkeit bzw. die Sehgenauigkeit in der Dämmerung. Damit kann diese Farbe gerade im Sport bei schlechten Lichtverhältnissen vorteilhaft sein – und dies insbesondere vor grünem Hintergrund, wie zum Beispiel bei Rasensportarten.

Grün

Grün scheint in Bezug auf die Gehirnaktivierung eine eher neutrale Farbe zu sein. Grundsätzlich dämpfen grüne Farbbrillen optische Sinneseindrücke und dunkeln sie ab. Daher kann eine grüne Farbbrille gut zur Entspannung oder bei Schmerzproblematiken ausprobiert werden – vor allem dann, wenn eine Person auf Rot oder Blau negativ reagiert. Hier eignet sich die Verwendung vor allem bei hellen Lichtverhältnissen, wie sie zum Beispiel draußen vorliegen. Grün verbessert zusätzlich die Tiefenwahrnehmung vor grünem Hintergrund, was wiederum für einige Outdoor-Sportarten interessant ist.

Gelb

Gelb ist eine häufig zu findende Farbe. Sie wirkt eher aktivierend und verbessert das Kontrastsehen. Details werden so deutlicher und auch die Tiefenwahrnehmung wird verbessert. Insbesondere bei trübem Wetter bzw. bei schlechten Lichtverhältnissen finden gelbe Farbbrillen Verwendung. Diese besseren optischen Sinneseindrücke können zu einem erhöhten Sicherheitsempfinden für das Gehirn führen, was wiederum zum Beispiel ein besseres Reaktionsvermögen zur Folge hat. Nicht umsonst werden gelbe Farbbrillen auch zum Beispiel im Straßenverkehr beim Fahren in der Dämmerung oder an einem grauen Tag gern genutzt. Im Sport bietet sich Gelb aufgrund seiner Eigenschaften gerade bei Indoor-Sportarten unter Neonlicht an. Zusätzlich filtern gelbe Brillengläser blaues Licht und eignen sich daher auch sehr gut am Bildschirmarbeitsplatz, da Bildschirme vorwiegend Licht im blauen Spektrum ausstrahlen. Blaues Licht beeinflusst unseren circadianen Rhythmus maßgeblich – gelbe Farbbrillen haben das Potenzial, unsere Schlafqualität und auch unsere Stimmung positiv zu beeinflussen. Durch das Tragen gelber Gläser wirkt alles heller und freundlicher.

FARBBRILLEN IN DER PRAXIS

Generell ist es wichtig, die individuelle Reaktion auf eine Farbe zu testen. Hierzu bieten sich Beweglichkeits- oder auch Kraft-Assessments an, die jeweils mit und ohne Farbbrille durchgeführt werden, um die Farbe auf sich wirken zu lassen. Dazu zieht man die Brille an und schaut kurz um sich, bevor man das Assessment erneut durchführt. Ein erstes Indiz kann aber auch schon das subjektive Empfinden beim Anziehen der jeweiligen Farbbrille sein. Wirkt die Farbe angenehm? Wie fühle ich mich mit der Brille?
Das Tragen der Brille kann situationsbedingt im Alltag, beim Training oder auch kurz vor einem Wettkampf (je nach Möglichkeit auch im Wettkampf) stattfinden. Starte mit kurzen Abschnitten von wenigen Minuten und verlängere die Dauer je nach individueller Reaktion. Es ist auch möglich, farbige Visiere zu verwenden, zum Beispiel im Motor- oder im Skisport, wenn ein Helm getragen wird. Dies kann den gleichen positiven Effekt haben und damit können Farben auch gezielt während des Trainings oder auch im Wettkampf zur Leistungsverbesserung eingesetzt werden.
Farbbrillen sind nicht mit farbigen Sonnenbrillen zu verwechseln; diese haben oft nur eine spiegelnde Folie auf dem Glas, die nicht die Wirkung eines farbigen Glases hat. Wird bereits eine Brille zur Sehkorrektur getragen, so kann eine Farbbrille je nach Stärke der Brille darüber getragen werden oder auch stattdessen. Bei positiven Farben stellt sich nicht selten auch eine Verbesserung der Sehfähigkeit durch die Farbbrille ein.

BESSER LESEN

Farben können nicht nur einen positiven Effekt auf unsere sportliche Leistung haben, sondern auch in anderen Bereichen hilfreich sein, wie zum Beispiel bei Leseschwierigkeiten. Schnell und fehlerfrei lesen zu können, ist ein vergleichbarer Output unseres Gehirns wie Bewegung, Schnelligkeit oder Kraft. Farben haben einen Einfluss darauf, wie gut, schnell und sicher wir lesen können. Bei einer positiven Farbe werden die visuellen Informationen schneller und klarer von unserem Gehirn verarbeitet. Um herauszufinden, welche Farbe vom Nervensystem positiv bewertet wird, kann die Lesegeschwindigkeit herangezogen werden. Hierzu wird ein Textabschnitt einmal ohne und einmal mit einer Farbbrille gelesen und die Zeit mit einer Stoppuhr gemessen. Wichtig ist, dass es sich um denselben Textabschnitt handelt, um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Neben der Lesegeschwindigkeit kann auch eine bessere Aussprache als Beurteilungskriterium genutzt werden oder das subjektive Empfinden der Sehschärfe. Positive Farben führen zu einer besseren visuellen Klarheit und einem besseren Textverständnis.

DISPLAYFARBEN VON MOBILEN GERÄTEN

Statt des Tragens einer Farbbrille kann auch die Displayfarbe des Smartphones oder Tablets verändert und hiermit vergleichbare Effekte erzielt werden. Die Hintergrundfarbe lässt sich sowohl bei iOS- als auch bei Android-Geräten in den Einstellungen verändern. Hier lassen sich sogenannte Farbstiche verwenden, die das Display in der gewünschten Farbe einfärben. Dies wirkt so, als sei eine Farbfolie über das Display geklebt, und hat damit den Effekt ähnlich einer Farbbrille. Die Veränderung der Displayfarbe kann dabei helfen, entspannter am Bildschirm zu lesen und zu arbeiten. Gerade weil Bildschirmarbeit eine große Belastung für unsere visuelles System ist, kann das Lesen mit einer Farbbrille bzw. einen Farbstich zu einer deutlichen Augenentlastung beitragen und das visuelle System entspannen.

Farben können sich in vielerlei Hinsicht auf uns auswirken – sowohl allgemein auf unsere Stimmung und unser Wohlbefinden im Alltag als auch sehr spezifisch auf unsere Trainingsleistung, sportliche Performance oder Regeneration. Farbbrillen sind ein einfaches und „passives“ Werkzeug, mit dem wir einen direkten positiven Einfluss auf unser Nervensystem nehmen können. Es lohnt sich daher, die Macht der Farben für sich zu nutzen.


ANDREAS KÖNINGS
ist Neuroathletiktrainer, erster deutscher Z-Health® Master Practitioner, erfahrener Ausbilder sowie Mentor im Bereich Neuroathletik und leitet die Deutsche Akademie für Neuro-Performance.
www.neuroathletik-training.de


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Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 5-2023:

 

Bausteine für einen erholsamen Schlaf

Schlaf ist keine reine Notwendigkeit, sondern ein wesentlicher Bestandteil einer ganzheitlichen Gesundheit. Im Schlaf regenerieren der Körper und das Gehirn. Der Körper erholt sich von den Herausforderungen des Tages und wird auf die Aufgaben des Folgetages vorbereitet.

DAS ZIEL DER OPTIMALEN ABENDROUTINE

Es gibt keine pauschal richtige Abendroutine, sondern deine Abendroutine sollte immer deinen individuellen Zielen dienen und in deine aktuellen Lebensumstände passen. Eine Abendroutine sollte nicht als stressiges To-do empfunden werden, denn schließlich möchtest du entspannen! Neben der Förderung eines guten und erholsamen Schlafs, sollte eine Abendroutine vor allem einen friedlichen, freud- und genussvollen Tagesabschluss schaffen. Die folgenden Aspekte beeinflussen die Qualität unseres Schlafes und das Einschlafen. Anhand dieser Bausteine, die insbesondere die abendliche Spanne des Tages umfassen, ist es an uns, einen positiven Einfluss auf unseren Schlaf zu nehmen.

LICHT

Beginnen wir mit der Sonne: Sie geht am Morgen auf, scheint am Tag intensiv und geht am Abend unter. Das Spektrum verschiebt sich von Blau zu Rot und die Intensität von stark zu schwach. Von der Natur vorgesehen nutzen wir am Abend ein Feuer oder eine Kerze, da diese ein weniger intensives und eher rötliches Lichtspektrum haben. Außerdem ist ein Feuer bodennah. Helle Bildschirme haben hingegen ein helles, weißblaues Licht, welches unserem Körper die Mittagssonne simuliert, wie auch viele Lampen. Es gilt also, weißes und helles Kunstlicht am Abend zu vermeiden, um unseren Körper nicht zu verwirren.

Eine Lösung sind die klassischen Glühlampen, die dem Farbspektrum eines Feuers ähneln. Zusätzlich gilt das Credo: So dunkel wie möglich. Hier spielt auch Gewöhnung eine große Rolle. Wenn wir akzeptieren, dass Dunkelheit am Abend natürlich und gesund ist, benötigen wir weniger Licht. Darüber hinaus ist es sinnvoll, die Abendbeleuchtung „von unten“ scheinen zu lassen, also beispielsweise die Lampe am Boden oder auf den Nachttisch zu platzieren, anstelle der Zimmerdecke. Wenn der Verzicht auf Bildschirmarbeit am Abend nicht möglich ist, sind Blaulicht-Blocker-Brillen sinnvoll, um die Blauanteile des Lichtes herauszufiltern. Häufig haben Computer-Bildschirme und Lampen ein Flimmern, welches wir zwar nicht direkt sehen, aber unser Nervensystem als Stress empfindet. Gleichstrombetriebene Glüh- oder Halogenlampen sind eine gute Lösung.

TEMPERATUR

Blicken wir in die Natur, stellen wir fest, dass es nachts kälter ist als am Tag. Die Produktion des Schlafhormons Melatonin ist an das Absinken der Körpertemperatur gekoppelt. Daher ist es sinnvoll, am Abend die Zimmertemperatur natürlich absinken zu lassen und im Schlafzimmer für Kühle zu sorgen.

Wie kann die Körpertemperatur unabhängig von der Raumtemperatur gesenkt werden? Eine Möglichkeit ist eine warme Dusche. Das warme Wasser weitet die Blutgefäße und fördert die Durchblutung, was dazu führt, dass die Wärme von der Hautoberfläche abgegeben wird und der Körper anschließend abkühlt. Eine kalte Dusche kann auch hilfreich sein, da sie den Körper dazu anregt, Wärme zu produzieren, was letztendlich zu einer Senkung der Körpertemperatur führt. Probiere aus, was für dich funktioniert.

ELEKTROMAGNETISCHE STRAHLUNG, ELEKTRISCHE GERÄTE UND STRESSTRIGGER

Offensichtlich belasten uns in der Natur keine künstlichen elektromagnetischen Strahlungen durch WLAN-Router, Handys und Co. Überall dort, wo Stromversorgungsnetze und Antennen für unsere dauerhafte „Vernetzung“ sorgen entstehen elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder, die durch ihre Stärke und Schwingungen Einfluss auf unseren Organismus nehmen. Die elektromagnetischen Felder, auch EMFs genannt, können ein unbewusster Stressor für unseren Körper sein, sodass es sinnvoll ist, das WLAN in der Nacht abzuschalten und das Schlafzimmer als gerätefreie Zone einzurichten.

Eine weitere mentale Komponente zur Nutzung digitaler Endgeräte: Schon der Anblick eines Smartphones kann einen Trigger darstellen, der an To-do’s und Soziale Medien erinnert, was eine emotionale Stressantwort auslösen kann. Meine Empfehlung ist es, sich allen Triggern bewusst zu werden und diese aus dem Schlafzimmer zu verbannen. Dabei geht es nicht nur um elektronische Geräte, sondern eventuell auch Gegenstände oder Bücher, die uns aus unserer Präsenz bringen.

ATMUNG

Wenn wir am Tag körperlich und mental aktiv waren, darf am Abend Ruhe einkehren. Der Körper wechselt vom Aktivitätsmodus in den Ruhemodus, sprich von sympathischer Dominanz in parasympathische Dominanz. In diesem Sinne kannst du über Atemregulationsübungen das Nervensystem am Abend in einen parasympathischen Zustand verhelfen.

Parasympathische Atemtechniken sind durch eine tiefe Bauchatmung durch die Nase und der verlängerten Ausatmung gekennzeichnet. Ein Beispiel dafür ist:

4-7-8 Atmung: Es wird vier Sekunden eingeatmet, sieben Sekunden angehalten und acht Sekunden ausgeatmet. Diese Technik stammt von Dr. Andrew Weil und wird oft zur Beruhigung und Entspannung eingesetzt.

Ebenfalls hilfreich, weil sie die Achtsamkeit schulen:

Kohärente Atmung: Es wird fünf Sekunden ein und fünf Sekunden ausgeatmet.

Wechselatmung: Hier wird abwechselnd durch ein Nasenloch ein und durch das andere ausgeatmet.

Atemsynchronisation durch Box Breathing: Es wird vier Sekunden eingeatmet, vier Sekunden gehalten, vier Sekunden ausgeatmet und vier Sekunden gehalten, bevor wieder eingeatmet wird.

Letztlich erhöhen aber Atemtechniken, die das Zwerchfell, die Nase und die Ausatmung betonen, den parasympathischen Tonus.

BEWEGUNG

Eine Bewegungsroutine am Abend, in Verbindung mit einer achtsamen, parasympathischen Atemtechnik, kann ebenfalls sehr hilfreich sein, den Tonus des Körpers zu senken. Der Fokus liegt hierbei mehr auf einem Work-in als einem Work-out. Bei einem Work-out erhöht sich, in meinem Verständnis, die Atem- und Herzfrequenz, wohingegen bei einem Work-in die Atem- und Herzfrequenz gesenkt wird. Traditionell sind Yoga, Tai Chi oder Qigong klassische Work-in’s. Ich habe dafür einen Bewegungsansatz entwickelt, der auf einer Bewegungsroutine entlang der neuromotorischen Entwicklung, in Verbindung mit Achtsamkeit und Atmung, beruht. Ziel ist es, den Körper und das Nervensystem quasi zu resetten – also in den Ausgangszustand zurückzuversetzen. Bewegung am Boden, wie das Rollen, sind fantastisch, um den Muskeltonus zu senken und den Lymph- und Glymphfluss durch sanften Druck anzuregen.

SCHLAFENSZEIT UND ROUTINE

Die Grundideen einer festen Routine sind Wiederholungen und eine fixe Bettgehzeit. Damit weiß der Körper, was kommt. Wenn du dein Abendritual beginnst, wird sich deine Hormonausschüttung anpassen, sodass auch Melatonin adäquat produziert werden kann. Wenn du dahingegen deine Schlafenszeit variiert, ist dein Körper verwirrt und wird schwerer Ruhe finden. Behalte deine individuellen Konstanten bei und versuche, möglichst zur selben Zeit ins Bett zu gehen.

REFLEKTIEREN, SORGEN UND TO-DO-LISTEN

Einer der größten Schlafkiller ist Gedankenrasen. Reflektiere am Abend deinen Tag und plane die Aktivitäten und Ausrichtung für den nächsten Tag. Zu einem gewissen Maß kannst du so die Gedanken stoppen, da du sie aufgeschrieben hast. Wenn du deine To-do’s nicht geplant hast, dann arbeitet dein Gehirn diese automatisch weiter ab. Ich plane mir beispielsweise auch Zeit zum Nachdenken und Sorgenmachen für den nächsten Tag ein.

PRAXISTIPP

Gib deinen Klienten vier Fragen mit:

  • Was war heute gut?
  • Für was bist du dankbar?
  • Was hat Optimierungspotential?
  • Was nimmst du dir für morgen vor?

Diese Fragen starten eine Aufwärtsspirale, um den nächsten Tag voller Klarheit und Energie zu starten.

ERNÄHRUNG

Ein weiterer Schlafkiller sind sehr späte und große Mahlzeiten. Das Verdauungssystem sollte in der Nacht nicht auf Hochtouren laufen. Viele meiner Klienten lassen das Frühstück weg, aber überessen sich dann spät am Abend, was zu sehr schlechtem Schlaf führen kann. Eine leichte Mahlzeit, möglichst früh am Abend, kann dazu beitragen, dass du dich vor dem Schlafengehen entspannt und wohl fühlst. Es ist wichtig, dass du herausfindest, was für dich am besten funktioniert.

Darüber hinaus können bestimmte Naturstoffe dazu beitragen die Schlafqualität zu verbessern. Ein Beispiel dafür sind Adaptogenen wie Ashwagandha und Reishi, die dazu beitragen können, das Stressempfinden zu reduzieren und die Schlafqualität zu verbessern. Ashwagandha ist eine Pflanze, die in der traditionellen indischen Medizin verwendet wird. Sie ist bekannt dafür, Stress und Angstzustände zu reduzieren. Reishi ist ein Pilz, der in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet wird, um das Immunsystem zu stärken und den Schlaf zu fördern.

DIE 10 – 3 – 2 – 1 – 0 REGEL

Zum Abschluss ein kleines Planungstool für den Alltag. Bestimmt zunächst deine gewünschte Einschlafzeit. Wenn du acht Stunden schlafen möchtest, dann solltest du acht bis neun Stunden im Bett verbringen. Möchtest du um 6:00 Uhr morgens aufstehen, ist deine Bettgehzeit zwischen 21:00 und 22:00 Uhr, damit du um 22:00 Uhr schläfst. Von hier kannst du mit der 10-3-2-1-0 Regel rückwärts rechnen.

Zehn Stunden vor dem Zubettgehen: Keine koffeinhaltigen Getränke. Koffein ist ein Stimulans, dass den Schlafdruck verringert. Finde für dich heraus, wann dein spät möglichster Zeitpunkt ist, denn dieser ist sehr individuell. Das kannst du auch über Gentests herausfinden. Ich persönlich trinke nach 13:00 Uhr keinen Kaffee mehr.

Drei Stunden vor dem Zubettgehen: Kein schweres oder großes Abendessen. Deine optimale Zeit ist von vielen Faktoren abhängig. Eine belastete Verdauung kann deine Regeneration im Schlaf erheblich stören.

Zwei Stunden vor dem Zubettgehen: Keine Bildschirmzeit oder helle Beleuchtung. Das Vermeiden von Bildschirmzeit mindestens zwei Stunden vor dem Schlafengehen hilft dabei, den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus zu unterstützen. Setze eine Blaulicht-Blocker-Brille auf, wenn dies nicht möglich ist.

Eine Stunde vor dem Zubettgehen: Keine stressigen oder aufregenden Aktivitäten. Leite dein Abendritual ein.

0 – Schlaf!

Ich hoffe, dass du durch diesen Artikel einige Anregungen für deine eigene Abendroutine oder die, deiner Klienten, gefunden hast und wünsche dir eine erholsame Nacht!     W

LINK

Downloade dir deinen kostenfreien Abendroutine Baukasten unter
https://thinkflowgrow.mykajabi.com/pl/2147788040.

TIM BÖTTNER
ist ganzheitlicher Health- und Lifestyle-Coach, Sportwissenschaftler und Podcaster mit zahlreichen Aus- und Weiterbildungen in den Bereichen Training, Therapie, Coaching und Ernährung.
www.thinkflowgrow.com


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Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 5-2023:

 

Asanas für das Betriebsklima

Stress ist in unserer modernen und hektischen Gesellschaft allgegenwärtig und meistens unvermeidlich. Als verhaltenspräventive Maßnahmen zur Stressbewältigung und Ressourcenstärkung unterstützen und finanzieren Krankenkassen Yoga-Angebote in der Betrieblichen Gesundheitsförderung. Sportwissenschaftlerin und Yoga-Lehrerin Annika Klein erläutert, wie Yoga die Unternehmenskultur am Arbeitsplatz bereichern kann.

ARBEIT UND GESUNDHEIT

Termin- und Leistungsdruck auf der Arbeit, steigende Arbeitsverdichtung und -anforderungen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie stetige Selbstoptimierung fordern Beschäftigten einiges ab. Diese Belastungsfaktoren können die Gesundheit, Motivation und Leistung erheblich beeinträchtigen, sodass das Gefühl von Überforderung und Stress am Arbeitsplatz keine Seltenheit ist. Dabei ist Stress von Natur aus nicht negativ zu bewerten. In einem gesunden Maß kann Stress helfen, Anforderungen fokussiert zu bewältigen und für den nötigen Antrieb zu sorgen. Nur wenn Stress dauerhaft anhält, kann er krank machen. Nicht selten sind Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Magenprobleme und psychische Erkrankungen wie chronische Erschöpfung, Ängste und Depression die Folge einer dauerhaften Stresssituation. Der DAK Psychreport (2023) berichtet von einem neuen Höchststand der psychisch bedingten Fehltage im Job. Mit 301 Fehltagen je 100 Versicherte, lagen die Fehlzeiten 2022 aufgrund psychischer Erkrankungen 48 Prozent über dem Stand von vor zehn Jahren. Aus diesem Grund empfehlen Krankenkassen Firmen und Arbeitgebern, sich verstärkt um die körperliche und mentale Gesundheit ihrer Arbeitnehmer zu kümmern.

DIE BETRIEBLICHE GESUNDHEITSFÖRDERUNG (BGF)

Die betriebliche Gesundheitsförderung implementiert im Unternehmen Strukturen und Maßnahmen, die der Mitarbeitergesundheit und -zufriedenheit dienen. Die Identifikation gesundheitlicher Belastungen sowie die Stärkung der vorhandenen Ressourcen stehen im Mittelpunkt. Schon 1986 definierte die WHO: „Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der Krankheit sein. Gesundheitsförderung schafft sichere, anregende, befriedigende und angenehme Arbeits- und Lebensbedingungen“.

Für die Arbeitgeber lassen sich durch eine erfolgreiche Implementierung von BGF-Maßnahmen zahlreiche Vorteile ableiten:

  • Sicherung der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter
  • Motivationsschub dank der stärkeren Identifikation mit dem Unternehmen
  • Kostensenkung durch weniger Krankheits- und Produktionsausfälle
  • Steigerung der Produktivität und Qualität
  • Imageaufwertung des Betriebes
  • Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
DOPPELTER MEHRWERT

Auch finanziell ist BGF für Unternehmen interessant. Angebote seitens der Arbeitgeber, die der Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung dienen, sind laut §3 Nr.34 EStG bis zu 600 Euro pro Beschäftigen im Kalenderjahr steuerfrei. Hierbei gilt zu beachten, dass die Angebote hinsichtlich der Qualität, Zweckbindung, Zielgerichtetheit und Zertifizierung den Anforderungen von §20, §20b SGB V entsprechen müssen. Zudem sind die gesetzlichen Krankenkassen nach §20b Abs.3 SGB V verpflichtet, Leistungen zur Gesundheitsförderung in Unternehmen anzubieten. Hierbei stehen Maßnahmen zum Aufbau und Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen im Vordergrund. Sowohl die Umsetzung der betrieblichen Gesundheitsförderung seitens des Arbeitsgebers als auch die Teilnahme der Belegschaft an Maßnahmen ist für beide Seiten freiwillig.

YOGA IN UNTERNEHMEN

Yoga ist eine ganzheitliche Praxis, die körperliche, geistige und emotionale Ebenen umfasst und verbindet. Die Teilnahme an Yogakursen kann sowohl den wahrgenommenen Stress reduzieren als auch den Umgang mit stressverursachenden Situationen verbessern. Der Einsatz von Körper- und Atemübungen und verschiedenen Meditationstechniken ermöglicht den Beschäftigten mit sich selbst in Kontakt zu kommen, zu entschleunigen und die eigenen Ressourcen zu stärken. Daraus ergeben sich eine erhöhte Produktivität, weniger Fehlzeiten und eine Verbesserung des allgemeinen Betriebsklimas.

Übergeordnete Ziele sind die Steigerung der Arbeitszufriedenheit, Gelassenheit und Verantwortungsbereitschaft der Mitarbeiter.

DIE STUDIENLAGE ZUR WIRKSAMKEIT

Zahlreiche Studien belegen das Potenzial von Yoga im betrieblichen Kontext. Folgende Vorteile werden dabei besonders hervorgehoben:

  • Yoga stellt vor allem für Büromitarbeitende eine wirksame Maßnahme dar, um Nacken-, Schulter- oder Rückenschmerzen vorzubeugen und zu lindern, sodass sie sich insgesamt fitter und vitaler fühlen.
  • Die Körperhaltung kann aufgrund sitzender, stehender oder einseitiger Tätigkeiten im Arbeitsalltag negativ beeinflusst werden. Durch zahlreiche Asanas (Körperübungen) kann diesen Belastungen entgegengewirkt und die Haltung verbessert werden, um Schmerzen und Dysbalancen zu reduzieren. Yoga stärkt dabei nicht nur die äußere, sondern auch die innere Haltung, wodurch mehr Selbstvertrauen und Eigenverantwortung aufgebaut wird.
  • Insbesondere in stressigen Phasen kann der Einsatz von Meditationen und Achtsamkeitsübungen helfen, zur Ruhe zu kommen und den Geist zu entspannen.
  • Die Konzentrationsfähigkeit wird durch eine regelmäßige Yogapraxis gefördert, sodass Aufgaben besser erledigt werden.
  • Die Achtsamkeit wird dahingehend geschult, immer wieder Momente der Entspannung zu finden, um die Konzentration und den Fokus aufrecht zu erhalten.

BUSINESS-YOGA IMPLEMENTIEREN

Immer mehr Unternehmen schätzen die positive Wirkung von Yoga auf ihre Mitarbeitenden und das Betriebsklima. Für Yogalehrer ergibt sich daraus ein interessantes und rentables Geschäftsfeld. Wer Yoga in Unternehmen unterrichten möchte, sollte sich vorab Gedanken zu folgenden Aspekten machen:

  • Wie trete ich als Yogalehrer an die Unternehmen heran?
  • Was sollte im Unternehmenskontext beachtet werden?
  • Wie sehen die organisatorischen Rahmenbedingungen aus?
  • Welcher Yogastil und welche Übungsabfolgen eignen sich, um die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu erfüllen?

ANLAUFSTELLEN

  1. BGM-Abteilung: In größeren Firmen existiert häufig schon ein aktives Betriebliches Gesundheitsmanagement, das für die Planung von Maßnahmen und Aktivitäten zuständig ist und ein Budget für gesundheitsfördernde Maßnahmen zur Verfügung gestellt bekommt.
  2. Personalabteilung: In kleineren Firmen werden die Gesundheitsmaßnahmen häufig von der Personalabteilung übernommen.
  3. BGM-Dienstleister: Externe Dienstleister, die betriebliche Gesundheitsförderung inklusive Maßnahmen und Aktivitäten für Unternehmen anbieten. Hier besteht die Möglichkeit freiberuflich als Yogalehrer aktiv zu werden.

Vor diesem Hintergrund nochmal der Hinweis, dass verhaltenspräventive Maßnahmen, zu denen auch Hatha-Yoga zählt, von Krankenkassen unterstützt und finanziert werden, sofern Yogalehrende und deren Konzepte bei der Zentralen Prüfstelle für Prävention zertifiziert sind.

BUSINESS-YOGA UNTERRICHTEN

Bei der Planung von Yoga für Unternehmen ist es wichtig, die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen des Unternehmens zu berücksichtigen. Da die meisten Angestellten eher sitzende oder einseitige Tätigkeiten ausüben, ist es wichtig, diese mit einer gut durchdachten Yogaeinheit auszugleichen. Die Einheiten sollten so gestaltet sein, dass alle Leistungsstufen daran teilnehmen können. Ganzheitliche Effekte erzielen die drei Säulen der körperlichen Praxis (Asana), Atemübung (Pranayama) und Meditation. Im betrieblichen Kontext darf der Fokus auf Entspannung und Achtsamkeit gelegt werden. Um den Aspekt des Team-Buildings zu integrieren, können Übungen angeboten werden, die die Zusammenarbeit, das Vertrauen und den Austausch untereinander fördern. Dabei ist ein gewisses Maß an Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen gefragt, da Mitarbeitende aus verschiedenen Arbeitsbereichen und Hierarchieebenen zusammenkommen können. Achte darauf, eine angenehme wohlwollende Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle willkommen und abgeholt fühlen.

ORGANISATORISCHE RAHMENBEDINGUNGEN

Eine klare Kommunikation mit dem Unternehmen ist unabdingbar. Nur die wenigsten Unternehmen verfügen über einen eigenen Yoga- oder Fitnessraum. Gibt es Pausenräume, Kantinen oder ein Park um die Ecke, die in Frage kommen könnten? Wie sehen die Arbeitszeiten der Teilnehmenden aus? Gibt es ein flexibles Arbeitszeitenmodell, Schichtdienst, Home-Office? Zu welcher Zeit können die meisten Beschäftigten erreicht werden? Können Yogaeinheiten auch digital angeboten werden?

Folgende Formate können vor Ort oder digital angeboten werden:

  • Morgen-Yoga als Start in den Tag,
  • Lunch-Yoga, um neue Kraft zu tanken,
  • After-Work als Ausklang in einen entspannten Feierabend.

Darüber hinaus ist es wichtig, in Erfahrung zu bringen, wie und ob die Beschäftigten ausreichend informiert werden. Wer übernimmt die Kommunikation? Gibt es ausreichend Zeit und die Möglichkeit, sich umzuziehen und zu duschen, oder nehmen die Mitarbeitenden in ihrer Arbeitskleidung teil? Dementsprechend sollten die Asanas und das Anstrengungsniveau angepasst werden. Wie kann man den unterschiedlichen Erwartungen der Teilnehmenden gerecht werden, wenn verschiedene Wünsche und Bedürfnisse geäußert werden? Um die individuellen Bedürfnisse zu erfüllen, können zum Beispiel verschiedene Yogastile und Niveaus zu unterschiedlichen Zeiten angeboten werden.

Yoga kann auf vielseitige und kreative Weise in Unternehmen integriert werden. Dank der individuellen Anpassungsmöglichkeiten an die verschiedenen Konstitutionen der Beschäftigten, kann Yoga unabhängig von der körperlichen Leistungsfähigkeit für die gesamte Belegschaft angeboten werden. Laut dem Berufsverband der Yogalehrenden haben sich insbesondere die folgenden Angebote bewährt:

  • Vorträge und Workshops zum Thema Stress und Stressbewältigungstechniken im Rahmen eines Gesundheitstages
  • Integration von Yoga bei Fort- und Weiterbildungsangeboten
  • Wöchentliche oder monatliche Kursangeboten in der Mittagspause oder nach Feierabend

 


 ANNIKA KLEIN
ist Sportwissenschaftlerin (M.A. Rehabilitation, Prävention und Gesundheitsmanagement), Fitness- und Gesundheitstrainerin, Yoga-Lehrerin sowie Tutorin an der Deutschen Sportakademie.
www.deutschesportakademie.de


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Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 5-2023:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellen:
BDY – Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland e.V. (2019): Yoga in der Betrieblichen Gesundheitsförderung, https://www.yoga.de/downloads/verband/yoga-in-der-betrieblichen-gesundheitsforderung-bgf/, Stand 18.07.23. BKK Dachverband (2022): BKK Gesundheitsreport – Pflegefall Pflege?, https://www.bkk-dachverband.de/fileadmin/user_upload/BKK_Gesundheitsreport_2022.pdf, Stand 18.07.23. Bundesministerium für Gesundheit (2022): Steuerliche Vorteile, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/betriebliche-gesundheitsfoerderung/steuerliche-vorteile.html, Stand 18.07.23. BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2021): Betriebliche Gesundheitsförderung, https://leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/betriebliche-gesundheitsfoerderung/, Stand 18.07.23. DAK (2023): Psychreport 2023 – Entwicklungen der psychischen Erkrankungen im Job: 2012-2022, https://caas.content.dak.de/caas/v1/media/32628/data/3983614e98a936fe7d7dd70f3dac2e73/dak-psychreport-ergebnis-praesentation.pdf, Stand 18.07.23. Della Valle, E., Palermi, S., Aloe, I., Marcantonio, R., Spera, R., Montagnani, S., Sirico, F. (2020): Effectiveness of Workplace Yoga Interventions to Reduce Perceived Stress in Employees: A Systematic Review and Meta-Analysis. J. Funct. Morphol. Kinesiol. 2020, 5, 33. GKV Spitzenverband (2023): Leitfaden Prävention – Handlungsfelder und Kriterien nach § 20 Abs. 2 SGB V zur Umsetzung der §§ 20, 20a und 20b SGB V vom 21. Juni 2000 in der Fassung vom 27. März 2023, https://www.gkvspitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/praevention__selbsthilfe__beratung/praevention/praevention_leitfaden/Leitfaden_Pravention_Akt_03-2023_barrierefrei.pdf, Stand 18.07.23. Hartfiel, N., Havenhand, J., Khalsa, S.B., Clarke, G., Krayer, A. (2011): The effectiveness of yoga for the improvement of well-being and resilience to stress in the workplace. Scand J Work Environ Health 2011;37(1):70–76. Hartfiel, N., Clarke, G., Havenhand, J., Phillips, C., Edwards, R. T. (2017): Cost-effectiveness of yoga for managing musculoskeletal conditions in the workplace. Occupational Medicine 2017; 67:687–695. Techniker Krankenkasse (2021): Entspann dich, Deutschland – TK-Stressstudie 2021, https://www.tk.de/resource/blob/2118106/cbdb7ed26363a35145d753516510f92d/stressstudie-2021-pdf-zum-download-data.pdf, Stand 18.07.23. WHO – Weltgesundheitsorganisation (1986): Ottawa-Charta für Gesundheitsförderung, https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/349654/WHO-EURO-1986-4044-43803-61669-ger.pdf?sequence=1&isAllowed=y, Stand 18.07.23.

Neue Wege zur ganzheitlichen Betreuung

In der heutigen Zeit stehen wir in der Physiotherapie vor neuen Herausforderungen, die eine grundlegende Veränderung des Mindsets sowohl beim Patienten als auch beim Physiotherapeuten erfordern. Sportphysiotherapeut und Athletiktrainer Marco Kaufmann beschreibt die Schlüsselfaktoren einer ganzheitlichen Betreuung von Patienten.

GOOD TO KNOW

Das Mindset (englisch) beschreibt die Geisteshaltung, Einstellungen und Überzeugungen einer Person, die ihr Denken, Verhalten und ihre Handlungen beeinflussen. Im Deutschen wird das Wort häufig ohne Übersetzung übernommen, um seine Konnotation zu erhalten.

PHYSIS UND PSYCHE: ANALYSE UND EIGENWAHRNEHMUNG

Eine entscheidende Rolle spielt das Verständnis der psychischen und physischen Einflüsse, die, je nach individuellen Zielen und Umständen, auf den Sportler oder Patienten einwirken. Die Analyse und Wahrnehmung dieser Zusammenhänge ermöglicht eine gezielte und nachhaltige Therapie, indem sie uns besser verstehen lassen, wie sich diese Einflüsse auf unsere Biomechanik auswirken. Gleichzeitig spielt die Eigenwahrnehmung des Patienten eine elementare Rolle, da ein Bewusstsein für Defizite und Probleme seine Motivation und aktive Teilnahme an der Genesung stärkt.

PASSIV MEETS AKTIV: DIE EIGENAKTIVITÄT FÖRDERN

 Passive Maßnahmen wie Manuelle Therapie und Osteopathie haben ihre Berechtigung. Sie können in bestimmten Situationen hilfreich sein, um zum Beispiel akute Schmerzen zu lindern und Bewegungseinschränkungen oder Funktionsstörungen zu beheben. Sie können auch dazu dienen, eine Grundvoraussetzung für Aktivitäten zu schaffen, indem sie dem Sportler eine verbesserte Bewegungsfreiheit ermöglichen. Bevor man zu passiven Techniken greift, sollte geprüft werden, ob der Patient durch gezielte Aktivität Schmerzen reduzieren kann. Der richtige Umgang mit Schmerz und das richtige Verständnis von Schmerz sind jedoch hierbei entscheidend. (siehe Schmerzmanagement: Vertrauensvolle Kommunikation). Auch spielt die aktive Beteiligung des Patienten eine entscheidende Rolle im Rehabilitationsverlauf. Wichtig ist hierbei, den Fokus stärker auf Selbsthilfemaßnahmen zu legen, um ihn zu befähigen, aktiv an seiner Genesung mitzuwirken. Dies fördert sein Selbstbewusstsein und stärkt die Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit. Durch die sinnvolle Kombination von passiven und aktiven Maßnahmen sowie die Integration von gezieltem Krafttraining können somit nachhaltige Therapieerfolge erzielt und die Rehabilitation optimiert werden.

Auch die Studienlage belegt, dass ein strukturiertes und progressives Krafttrainingsprogramm die muskuläre Stärke und Funktion verbessern kann. Eine Untersuchung von Winters et al. (2022) befasste sich mit der Rehabilitation von Knieverletzungen und zeigte, dass Patienten, die an einem solchen Training teilnahmen, eine frühere Rückkehr zur normalen Aktivität erlebten. Eine Meta-Analyse von Smith et al. (2021) bestätigte, dass gezieltes Krafttraining bei der Behandlung von Rückenschmerzen eine effektive und nachhaltige Therapieoption darstellt. Neben der Schmerzreduktion konnte durch das Training die Beweglichkeit verbessert und die Lebensqualität der Patienten erhöht werden.

DIE BELASTUNGSFRAGE: DAS RICHTIGE VOLUMEN UND INTENSITÄTSSTEUERUNG

 Fehlendes Trainingsvolumen und eine unpassende Belastungsintensität sind in der Rehabilitation und in der medizinischen Trainingstherapie weit verbreitet. Das hat häufig zur Folge, dass Patienten nach der Rehabilitation noch nicht beschwerdefrei sind und Bewegungseinschränkungen aufweisen, die sich im Alltag und bei Aktivität bemerkbar machen. Unsere internen Untersuchungen des Athletics And Health Instituts zeigen, dass betreute Kunden oft bis zu sechs Wochen früher in ihre Aktivitäten zurückkehren können, wenn das Belastungsmanagement individuell angepasst wird.

Zudem führt beruflicher Stress und, häufig daraus resultierend, mangelnde Zeit für Selbstfürsorge zu einem erhöhten Cortisolspiegel, welcher wiederum die Regeneration und Wundheilungsphase ebenfalls negativ beeinträchtigen kann. Eine Studie von Dhabhar et al. (2009) untersuchte die Auswirkungen von Stresshormonen wie Cortisol auf die Wundheilung und fand heraus, dass chronischer Stress eine verzögerte Wundheilung verursachen kann.

Die gezielte Erhöhung und Steuerung von Volumen und Intensität im Training und in der (medizinischen Trainings-) Therapie können einen bedeutenden Beitrag dazu leisten, dass Patienten eine schnellere und nachhaltigere Genesung erfahren und die gewünschten Ergebnisse erzielen. Eine unzureichende Belastung, vor allem zu Beginn der Rehabilitation kann zu einem längeren Genesungsprozess führen.

SCHMERZMANAGEMENT: VERTRAUENSVOLLE KOMMUNIKATION

 Ein effektives Schmerzmanagement ist ein essenzieller Bestandteil einer ganzheitlichen Betreuung von Patienten in der Rehabilitation und medizinischen Trainingstherapie. Dem Patienten Sicherheit zu vermitteln, wie er mit seinem Schmerz umgehen kann und welche Schmerzen er beim Training oder im Alltag tolerieren kann, steht im Fokus. Viele Therapeuten, Trainer und Ärzte sind aus Erfahrung hierbei verunsichert, da Schmerzmanagement oft nicht ausreichend in der Ausbildung oder im Studium gelehrt wird.

Es ist wichtig, dem Patienten klar zu kommunizieren, dass Schmerz nicht immer ein Zeichen von Schädigung oder Gefahr ist, sondern ein Körpersignal, um auf Belastungen oder Umwelteinflüsse zu reagieren. Durch eine offene und einfühlsame Kommunikation sowie einer klaren Erklärung des Schmerzgeschehens, kann der Patient Sicherheit gewinnen und ein besseres Verständnis dafür entwickeln, wie er seinen Schmerz bewerten und damit umgehen kann.

Die Rolle des Therapeuten, Trainers oder Arztes geht jedoch über das bloße Verständnis von Schmerz hinaus. Wir haben die Aufgabe, den Patienten zu ermutigen, proaktiv Verantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen und sich mit der Anatomie seines Körpers vertraut zu machen. Indem der Patient die Zusammenhänge zwischen seinen Alltagseinflüssen und seiner körperlichen Gesundheit besser versteht, kann er bewusste Entscheidungen für seinen Genesungsweg treffen und gezielt an seinen Zielen arbeiten.

Es ist essenziell, dem Patienten klarzumachen, dass er selbst eine aktive Rolle in seiner Rehabilitation und Genesung einnehmen kann.

„Wir haben die Aufgabe, den Patienten zu ermutigen, proaktiv Verantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen.“

DIE ZUKUNFT: MESSEN UND ANALYSIEREN

 Die Zukunft der Physiotherapie liegt meines Erachtens in einer verstärkten Messung und Analyse, um individuelle Erfolge in der Therapie zu erzielen. Fortschrittliche Technologien wie zum Beispiel Wearable Devices und Sensoren bieten uns die Möglichkeit, relevante Daten zu sammeln und den Genesungsprozess unserer Patienten objektiv zu evaluieren. Nehmen wir zum Beispiel innovative Sensoren, die in Kleidung oder Ausrüstung eingebettet sind. Diese Sensoren sind in der Lage, Bewegungsmuster, Muskelaktivität und sogar biometrische Daten wie Herzfrequenz und Atemmuster zu erfassen. Auf diese Weise erhalten wir ein umfassendes Bild davon, wie der Körper auf Belastungen und Übungen reagiert.

Das Ziel der Rehabilitation selbst sollte es sein, die vorhandenen Defizite sichtbar zu machen und die Wahrnehmung des Patienten zu schulen, wie weit er vom gewünschten Ziel entfernt ist. Dies ermöglicht eine gezielte Therapie und beschleunigt den Genesungsprozess.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Prävention von Verletzungen und Rückfällen durch die frühzeitige Erkennung von Defiziten und Dysbalancen. Durch das adäquate Monitoring können Risikofaktoren identifiziert und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.

Darüber hinaus spielt Monitoring im Bereich Ernährung und Mikronährstoffe eine wichtige Rolle, zum Beispiel die  Zufuhr von Aminosäuren und Proteinen. Eine angemessene Proteinversorgung unterstützt die Reparaturprozesse und den Aufbau von Muskelgewebe, was zu einer verbesserten Funktion und einem schnelleren Genesungsprozess führen kann. Eine Studie von Johnson et al. (2023) belegt die Bedeutung einer adäquaten Proteinaufnahme für den Muskelaufbau während der Rehabilitation.

Die Kombination aus fortschrittlichem Monitoring, individueller Analyse und gezielter Therapie bietet die Möglichkeit, maßgeschneiderte Behandlungspläne zu entwickeln und langfristige Erfolge für die Patienten zu sichern.

FAZIT: SCHLÜSSELFAKTOREN FÜR DIE REVOLUTION DER PHYSIOTHERAPIE

 Die ganzheitliche Betreuung von Patienten erfordert ein Umdenken und eine Veränderung des Mindsets, um die Physiotherapie auf ein neues Level zu heben. Folgende Schlüsselfaktoren sind dabei essenziell für den Therapieerfolg:

  • Die Berücksichtigung der psychischen und physischen Einflüsse.
  • Die aktive Beteiligung des Patienten am Genesungsprozess.
  • Eine gezielte Volumen- und Intensitätssteuerung.
  • Die effektive Kommunikation zwischen Therapeuten und Patienten.
  • Ein verstärkter Einsatz von Messung- und Analysetools.
  • Ein besseres Verständnis für Bewegungslehre und Biomechanik.

Ein Umdenken und eine Verbesserung in der Rehabilitation sind dringend erforderlich, um den Patienten eine effektivere und nachhaltigere Rehabilitation zu ermöglichen. Indem wir diese Aspekte integrieren und immer auf dem neuesten Stand der Forschung bleiben, gestalten wir die Zukunft der ganzheitlichen Physiotherapie nachhaltig und leisten einen bedeutsamen Beitrag zur Gesundheit und Leistungsfähigkeit unserer Patienten.

BIOMECHANIC MOVEMENT CONCEPT

Diese integrative Fortbildung wurde von den Sportwissenschaftlern, Sportmedizinern und Sportphysiotherapeuten des Athletics And Health Instituts in München entwickelt und bietet die Möglichkeit, innovative Therapiemethoden an den Schnittstellen zwischen Physiotherapie, Orthopädie und Sportwissenschaft kennenzulernen sowie ein interdisziplinäres Verständnis für Bewegungslehre zu entwickeln.

www.athleticsandhealth.com/bmc-konzept

MARCO KAUFMANN
ist Athletiktrainer, Heilpraktiker, Sportphysiotherapeut (DOSB), Mental Coach und Gesundheitscoach für Regenerative Medizin. Seine Expertise gibt er als Gründer und CEO des Athletics And Health Instituts für ganzheitliche Gesundheit weiter.

www.athleticsandhealth.com


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Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 5-2023:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

QUELLEN: PubMed
Untersuchung Winters et al. (2022): Rehabilitation von Knieverletzungen
Meta-Analyse Smith et al. (2021) gezieltes Krafttraining stellt bei der Behandlung von Rückenschmerzen eine effektive und nachhaltige Therapieoption dar
Studie Dhabhar et al. (2009) Auswirkungen von Stresshormonen wie Cortisol auf die Wundheilung
Studie Johnson et al. (2023) belegt die Bedeutung einer adäquaten Proteinaufnahme für den Muskelaufbau während der Rehabilitation

Zur Steigerung der Performance

Das Kühlen der Handinnenflächen soll die Leistungsfähigkeit und die Regenerationsfähigkeit steigern. Vanessa Klein stellt die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu vor und gibt Tipps, wie Palm Cooling ins Training integriert werden kann.

„Gleichwertig oder sogar besser als Steroide … und es ist nicht illegal.“ – Diese Aussage stammt von den zwei Professoren Craig Heller und Dennis Grahn der Standford Universität. Sie haben ein Gerät entwickelt, das wie ein Handschuh aussieht und durch das darin erzeugte Vakuum die Temperatur des zirkulierenden Bluts in den Handflächen reduziert. Unter Laborbedingungen wurden zahlreiche Untersuchungen mit Athleten verschiedenster Sportarten durchgeführt. Die beiden Forscher fanden dabei heraus, dass das Kühlen der Handflächen die Erholung nach einer Trainingsbelastung beschleunigen kann und sowohl die Ausdauer als auch die Kraft durch eine Steigerung des Trainingsvolumens verbessert werden können.

Anwendung

Beim Palm Cooling werden während der Pausenzeit, zum Beispiel zwischen den Sätzen einer Übung wie Klimmzügen, die Handflächen gekühlt. Aber Palm Cooling kann nicht nur im Krafttraining angewendet werden, sondern auch im Ausdauer- und Mannschaftssport, wie zum Beispiel während der Halbzeitpause eines Fußballspiels.

Wirkung

Der menschliche Körper besitzt ein hochkomplexes System zur Regulation der Körperkerntemperatur, da dazu dient, uns vor extremer Kälte oder Hitze zu schützen. Bestimmte Stellen an unserem Körper, die sogenannte „glabrous skin“ (meist haarlose Haut), verfügen über spezielle Hautzellen. Diese Stellen, wie die Handflächen, Fußsohlen, Stirn oder die obere Hälfte des Gesichts, besitzen bestimmte Blutgefäße, sogenannte arteriovenöse Anastomosen (AVAs). Diese Blutgefäße unterscheiden sich in ihrer Struktur von der restlichen Haut unseres Körpers. Sie erleichtern die Wärmeproduktion und können das Blut an die Hautoberfläche transportieren, ohne dabei durch die Kapillaren zu fließen, wie es bei den restlichen Blutgefäßen der Fall ist. Kurz gesagt: AVAs sind sehr effektive Temperaturmanager des Körpers und können uns davor bewahren, zu überhitzen.

Überhitzung und Leistungsfähigkeit

Eine Überhitzung des Körpers ist ein erheblich leistungsbegrenzender Faktor im Training. Ein Enzym namens Muskelpyruvatkinase (MPK), das von den Muskeln während des körperlichen Trainings genutzt wird, ist hitzeempfindlich. Bei normaler Körpertemperatur (36,5 bis 37,4 °C) ist MPK aktiv. Wenn jedoch die Körpertemperatur aufgrund intensiven Trainings ansteigt, verformt sich ein Teil des Enzyms und wird inaktiv. Sobald die Muskeltemperatur zu stark ansteigt, schaltet sich die MPK-Aktivität bei ca. 40 °C komplett ab. Indem sich MPK bei zu starker Belastung (zu hoher Temperatur) von selbst abschaltet und die Muskelzelle schädigt, fungiert es gewissermaßen als Schutzmechanismus. Das Ergebnis ist, dass unsere Muskeln werden schwach und wir nicht mehr in der Lage sind, weiteren Belastungen standzuhalten. Durch das Kühlen der Muskelzelle, gelangt MPK wieder in den aktiven Zustand und die Ermüdung des Muskels wird reduziert. An dieser Stelle ist zu betonen, dass nicht der Muskel, der beansprucht wurde, gekühlt werden muss, sondern nur die Stellen, an denen wir über „glabrous skin“ verfügen. Diese sind für die Wärmeregulation des gesamten Körpers zuständig.

Experimente zum Palm Cooling

In einer Studie von Dr. Heller führte das Kühlen der Handflächen zu einer Verbesserung der Performance von 40 bis 60 Prozent. Die Untersuchungen wurden sowohl mit Hochleistungssportlern wie NFL-Footballspielern als auch mit Freizeitsportlern durchgeführt. Seine und andere Forschungen haben gezeigt, dass das Kühlen der Handflächen das Trainingsvolumen erhöhen kann, indem die Ermüdung hinausgezögert wird. Viele Studien umfassten Ausdauersportarten wie Laufen sowie Kraftsport mit Maximalkraftübungen wie Kniebeugen, Bankdrücken oder Klimmzügen. In nahezu allen Studien konnte eine signifikante Verbesserung durch das Kühlen gezeigt werden.
In einer anderen Studie wurde gezeigt, dass 16 Probanden ihr One Repetition Maximum (1RM) im Bankdrücken signifikant verbesserten im Vergleich zu einer Gruppe, die ihre Handflächen in den Pausen erwärmte. Das gleiche Ergebnis zeigte sich in einer Studie mit 8 weiblichen Probanden, bei der das Kühlen ebenfalls zu besseren Ergebnissen im Bankdrücken führte und das allgemeine Trainingsvolumen erhöht werden konnte.

Anwendung in der Praxis

Nachdem es die ersten Hinweise darauf gab, dass Palm Cooling tatsächlich einen enormen Effekt auf die Leistung im Sport haben kann, stieg das Interesse von Sportvereinen, Trainern und professionellen Athleten an einem Gerät, das die Anwendung vereinfacht und die richtige Temperatur regulieren kann.
Um eine positive Wirkung zu erzielen, ist es wichtig, dass die Oberfläche bzw. das Material, das zur Kühlung der Handflächen verwendet wird, nicht zu kalt ist. Die Verwendung von reinem Eis würde zu einer Verengung der Blutgefäße führen (Vasokonstriktion), sodass das kühle Blut nicht unter den Handflächen zirkuliert und keinen Effekt auf die Muskelerholung hätte.
Studien haben gezeigt, dass der effektivste Temperaturbereich zwischen 7 und 15 Grad Celsius liegt – kühl, aber nicht gefroren. Auch ist es effektiver, beide Handflächen gleichzeitig zu kühlen, da dadurch eine größere Menge an gekühltem Blut in den Körper zurückfließen kann. Außerdem sollte der Gegenstand, der zur Kühlung verwendet wird, nicht zu fest umgriffen werden, da der Druck den Blutfluss durch die darunter liegenden „glabrous skin“-Bereiche beeinträchtigen kann.
Darüber hinaus ist es wichtig, sich trotz Palm Cooling im Kraft- und Ausdauertraining gründlich aufzuwärmen. Die Kühlung sollte im Krafttraining zwischen den Sätzen in den Pausen erfolgen und nicht erst in den letzten Sätzen, wenn die Temperatur bereits erhöht ist. Beim Ausdauertraining, zum Beispiel beim Laufen, Fahrradfahren, Ruder- oder Skiergometer, empfiehlt es sich, die Kühlung zwischendurch durchzuführen. Bei Intervalltrainings sollte in den Pausen gekühlt werden.
Mittlerweile gibt es einige Kühlgeräte auf dem Markt, die ein praktisches Handschuh- oder Dosen-Design haben und online oder in Fachgeschäften erhältlich sind. Auch eine Kompresse, die sich in den meisten Haushalten im Gefrierfach befindet, kann verwendet werden. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass es nicht zu kalt ist und die oben genannten Temperaturempfehlungen eingehalten werden.

 


Vanessa Gaber

coacht ihre Klienten seit 2017 im 1:1-Online-Format und verbindet dabei das Wissen ihrer Ausbildungen als Therapeutin für Psycho-Neuro-Immunologie, Ernährungscoach, Personal Trainerin und Wirtschaftspsychologin.


Quellen

Palm Cooling and Heating Delays Fatigue During Resistance Exercise in Women – PubMed (nih.gov) Palm cooling delays fatigue during high-intensity bench press exercise – PubMed (nih.gov) Work volume and strength training responses to resistive exercise improve with periodic heat extraction from the palm – PubMed (nih.gov) Stanford researchers‘ cooling glove ‚better than steroids‘


Fotos: Vanessa Gaber


Dieser Artikel ist aus der TRAINER-Ausgabe 4-2023: