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Work smarter, not harder. Warum HIIT nicht alles ist.

Work smarter, not harder. Warum HIIT nicht alles ist.

Es gibt gute Gründe, warum Trainingsprogramme mit einem Anteil an hochintensivem Intervalltraining (HIIT) wie Cross Fit, Bootcamps oder Apps mit Intervall-Timern im Vergleich zu einem langsamen Ausdauertraining immer populärer werden: Mehrere Untersuchungen zeigen, dass Trainingsprogramme mit einem HIIT-Protokoll im Vergleich zu einem klassischen aeroben „Cardiotraining“ zu einem bis zu sechsmal höheren Verlust von Körperfett führen. Gleichzeitig ist der Zeitaufwand gering. Darüber hinaus lässt es sich auf kleinstem Raum mit wenig oder keinem Equipment durchführen.

Ein häufiges Problem ist allerdings die damit zusammenhängende Mentalität „Go hard or go home“. Gerade für Beginner oder untrainierte Kunden bedeutet das oftmals, dass sie zu früh in ihrem Trainingsprozess zu hohen Intensitäten ausgesetzt werden. Wenn dann nicht entsprechend längere Regenerationszeiten eingeplant werden, ist gerade bei jüngeren und hoch motivierten Sportlern der erste Übertrainingszustand nicht weit.

Oder die Entstehung eines Erschöpfungssyndroms wie „Burnout“ oder „adrenal fatigue“ wird begünstigt. Hinzu kommt noch, dass nicht jeder Mensch die mentale Stärke mitbringt, um beständig ein Training an der maximalen Belastungsgrenze durchzuführen.

 



 

Kunden ganzheitlich sehen

Belastung ist für einen Menschen immer im Gesamtzusammenhang zu sehen. Die Lebenssituation sowie das Umfeld wirken sich auf die Regenerationsfähigkeit nach einem Training aus. Stress im Job, eine instabile Partnerschaft, schlechte Ernährung, verminderte Schlafdauer und -qualität sind hier nur einige Beispiele.

Wenn mein Kunde also ein gestresster Manager ist, der in dieser Woche schon zwei Geschäftsreisen absolviert hat, gerade Vater geworden ist, aufgrund seines chronischen Zeitmangels nicht wirklich gutes Essen zu sich nimmt und dabei weniger als acht Stunden Schlaf bekommt – ist dann ein weiterer „Stress“ durch zwei Tabata-Intervalle im Training am Freitagabend sinnvoll? Oder stört so ein Training weiter die Balance des sympathischen/parasymphatischen Nervensystems mit der Folge, dass er schlecht einschlafen kann und vermehrten Heißhunger auf schnell verwertbare Kohlenhydrate verspürt?

 

Langsames Ausdauertraining als Alternative

Aus diesen Gründen sollten auch Trainingsprogramme für die Ausdauer bzw. die verschiedenen Energiesysteme des Körpers individuell und ausgewogen sein. Möglicherweise ist für das Thema „Körperfettreduktion“ vor dem Hintergrund des zuvor beschriebenen Kundenprofils ein Grundlagenausdauertraining von 30 bis 45 Minuten auf dem Crosstrainer sinnvoller als zwei Tabata-Intervalle, um Stresshormone abzubauen, somit die Speicherung von Körperfett zu vermindern, die Schlafqualität zu verbessern und den Heißhunger auf Süßigkeiten zu vermindern.

 

Die drei Energiesysteme

Unser Körper arbeitet mit drei Energiesystemen, die uns bei körperlicher Arbeit mit „Brennstoff“ versorgen. Dabei ist es egal, ob diese Arbeit aus Alltagsarbeiten wie Gehen, Ausdauertraining oder Krafttraining besteht. Nachfolgend eine Übersicht über diese drei Energiesysteme:

1. Aerobes System
Das aerobe System ist der energetische Pfad des Körpers, auf dem Sauerstoff eingesetzt wird, um Kohlenhydrate und Fette zur Energiebereitstellung zu nutzen. Es ist das bevorzugte Energiesystem unseres Körpers, weil es das ökonomischste ist. Aus diesem Grund verbringen wir auch die meiste Zeit unseres Tages in diesem Energiesystem.

2. Anaerobe Schwelle
Die anaerobe Schwelle ist der Punkt, an dem der aerobe Stoffwechsel nicht mehr in der Lage ist, den Anforderungen gerecht zu werden, und der anaerobe Stoffwechsel unterstützend eingreift.

3. Anaerobes System
Das anaerobe System sind die energetischen Pfade des Körpers, auf denen Kohlenhydrate, Adenosintriphosphat (ATP) und Kreatinphosphat (KP) unter der Abwesenheit von Sauerstoff zur Energiebereitstellung genutzt werden. Das anaerobe System gliedert sich genau genommen in zwei Untersysteme. Bei Belastungsspitzen wird durch das anaerob alaktazide System kurzfristig zusätzliche Energie in Form der Energiesubstrate ATP und Kreatinphosphat Energie bereitgestellt.

Wenn diese Energieträger nach einigen Sekunden Arbeit (z.B. einem Sprint) verbraucht sind, wird zusätzlich Laktat produziert. Auch die „Milchsäure“ fungiert als ein Energieträger. Da dieser Weg der Energiebereitstellung aufwendiger ist, sinkt die Leistung (z.B. die Laufgeschwindigkeit) automatisch ab.

 

Ausdauertraining auf dem Crosstrainer kann eine Alternative sein. Foto: Goran Bogicevic/shutterstock.com

Ausdauertraining auf dem Crosstrainer kann eine Alternative sein. Foto: Goran Bogicevic/shutterstock.com

Was bedeutet dieses Wissen für die Praxis?

„Cardio” ist ein gebräuchlicher Begriff, der häufig mit einem traditionellen Ansatz von Ausdauertraining verbunden wird und in der Regel ein Training des aeroben Energiesystems beschreibt. Jeder kennt die Menschen, die seit Jahren immer die gleiche Joggingrunde im gleichen Tempo absolvieren. Oder immer auf dem gleichen Crosstrainer auf Herzfrequenz 130 im Studio trainieren. Aus der Sicht von Stressreduktion und um eine Basis für Beginner zu legen, ist das auch das ideale Training.

Ein Intervalltraining (extensiv oder intensiv) hingegen kann langfristig immer wieder neue Trainingsreize setzen. Es besteht in der Regel aus mehreren Sätzen einzelner Intervalle, wie die nachfolgende Grafik verdeutlicht:

 

Möglichkeit 1: 4 x 4-Minuten-Intervalle

Diese etwas längeren (extensiven) Intervalle trainieren die Grundlagenausdauerbereiche eins und zwei und sollten gegen Ende eines Intervalls die anaerobe Schwelle bzw. 95% der maximalen Herzfrequenz erreichen. Vier bis fünf dieser Intervalle mit einer Gehpause von zwei bis drei Minuten dazwischen führen zu einer gesamten Belastungszeit von ca. 25 bis 30 Minuten.

Diese Art von Intervallen ist ungeheuer effektiv und sollte nicht mehr als einmal in der Woche durchgeführt werden. Auch für erfahrene Sportler wie Fußballer auf Champions-League-Level ist dies eine bewährte Trainingsmethode.

 

Möglichkeit 2: maximale 30-Sekunden-Intervalle

Bei diesen kurzen (intensiven) Intervallen führt man ein 30-Sekunden-Intervall mit maximaler Belastung („all out“) durch. Darauf folgt eine Pause von vier Minuten. Insbesondere in einem Personal Training oder einer vergleichbaren 1:1-Situation kann man diese Pause ideal für korrigierende Übungen nutzen und an Defiziten der Kunden z.B. im Bereich Mobilität oder Stabilität arbeiten.

Insgesamt führt man vier bis sechs dieser 30-Sekunden-Intervalle durch, immer gefolgt von jeweils vier Minuten Pause. Man steigert dadurch die anaerobe sowie aerobe Leistungsfähigkeit genauso wie die Kraftausdauer der beanspruchten Muskelpartien (z.B. Beine bei einem Training auf dem Fahrradergometer). Ein Beispieltraining könnte so aussehen:

An Trainingstagen mit einer höheren Intensität bietet es sich an, Starts, Stops, Richtungswechsel oder multidirektionale Bewegungsmuster (z.B. Shuffle, Crossover) mit in das Training zu integrieren. Dadurch kann man eine Verletzungsprophylaxe erreichen und die komplexeren Bewegungen liefern dem Gehirn einen höheren propriozeptiven Input. Dadurch fühlt man sich besser, das motorische Lernen wird verbessert und die Anforderungen an die Beweglichkeit aller Gelenke steigen.

Getreu dem Motto: „Work smarter, not harder“, lassen sich auch in kurzer Zeit und mit einem ausgewogenen Trainingsprogramm gute Resultate erzielen. Dabei muss man nicht immer bis zur totalen Erschöpfung arbeiten. Es sollten unbedingt auch ein langsames aerobes Training sowie die gesamte Lebenssituation bei der Erstellung dieser Programme berücksichtigt werden.

 

Den Artikel findest du im Trainer-Magazin 5/16, geschrieben von
Niko Schmitz | Geschäftsführer von Valeo Personal Training in Bonn: Personal Training, Firmenfitness, Workshops und Seminare; Mitgründer und Head of Education der Firma Letsbands, Performance Education Specialist bei EXOS. www.letsbands.com; www.valeostudio.de



 

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