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Sind Sit-ups mit auf Boden gedrückter Wirbelsäule gesund?

Sind Sit-ups mit auf Boden gedrückter Wirbelsäule gesund?

Intelligentes Bauchmuskeltraining

Crunches und Sit-ups sind unter Trainierenden Standardbauchübungen, die bei einem ausführlichen Bauchmuskeltraining nicht fehlen dürfen. Das Problem dabei ist jedoch: Crunches und Sit-ups haben rein gar nichts mit einem intelligenten Bauchmuskeltraining zu tun. Wie das auszusehen hat, beschreibt Fitnessausbilderin Karin Albrecht.

Ein schöner Bauch sollte heutzutage flach sein und eine feste Taille vorweisen. Nicht zu vergessen sind die Waschbrettkonturen, die vor allem bei Männern gefragt und bei Frauen im Kommen sind.

Ästhetische Ambitionen machen Bauchmuskelübungen attraktiv, aber auch Gesundheitsversprechen („Ein starker Bauch schützt die Wirbelsäule“) schaffen einen Anreiz. Beide Motivationen sind berechtigt. Spannend sind aber die Empfehlungen, die Trainer Trainierenden geben.

 

Crunches hat es in der Geschichte nie gegeben

Entwicklungsgeschichtlich hat es die Bewegungen Crunches und Sit-ups nie gegeben. Wie kann ein Rücken geschützt werden, wenn der Trainierende ihn über Crunches und Sit-ups in die Beugung trainiert? Und wie soll ein Sit-up mit auf den Boden gedrückter Wirbelsäule rückengesund sein? Der Rumpf bzw. die Bauchmuskulatur hat sich mit anderen Bewegungen entwickelt: über Ziehen, Klettern, Hangeln, Stemmen oder Laufen. Aber mit Sicherheit nicht, indem sich Menschen auf den Boden gelegt und sich aus der Rückenlage heraus aufgerollt haben.

Ich vertrete diese Haltung seit vielen Jahren. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich hörte, dass die US Navy und das kanadische Militär Sit-ups aus ihrem Training und aus den Tests verbannt haben.

Das Trainingsprogramm der kanadischen Militärausbildung, entwickelt in den 1970er Jahren, wurde auch überarbeitet und heutigen Erkenntnissen angepasst. Dabei bezeichnet Rückenexperte Stuart McGill, Professor für Biomechanik mit dem Schwerpunkt Wirbelsäule der Uni Waterloo, Sit-ups als ein „veraltetes Missverständnis“.

 

Buchtipp:  Intelligentes Bauchmuskeltraining Karin Albrecht, Haug Verlag 2015  In „Intelligentes Bauchmuskeltraining“ präsentiert Karin Albrecht funktionelle Übungen für ein gesundes Bauchmuskeltraining und erklärt wichtige Begrifflichkeiten und Fakten rund um das Bauchmuskeltraining.

Die Wirbelsäule ist in Gefahr

„Wir haben erforscht, wie die Wirbelsäule funktioniert und was sie verletzt. Das ist unser Fundament“, sagt Stuart McGill, der seit über 30 Jahren Übungen und Bewegungen erforscht, die die Wirbelsäule belasten und schädigen – zum Beispiel Sit-ups. Seine Studienergebnisse decken sich mit den Erkenntnissen anderer Forscher: Menschen, die ihren Rücken regelmäßig in die Beugung forcieren, leiden – statistisch gesehen – häufiger unter Rückenschäden.

„Wir haben bei jedem Sit-up die Kräfte auf die Rückenstrukturen gemessen und sind, zusammen mit dem Nationalen Institut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in den Vereinigten Staaten, zu dem Schluss gekommen, dass diese Belastungen über Zeit und Umfang zu Schäden führen. Dabei haben wir vor allem Bandscheibenschädigungen vor Augen“, sagt Stuart McGill.

Abgesehen von der Gefahr der Verletzungen des unteren Rückens, hat man in einer über 2,5-jährigen Analyse herausgefunden, dass Sit-ups für die extremen körperlichen Anforderungen des Militärs keinen Nutzen bringen.

Wir müssen dabei bedenken, dass sich die Forschungsergebnisse auf die Wirbelsäule vorzugsweise männlicher Kandidaten konzentrieren und der Beckenboden außer Acht bleibt. Verständlicherweise ist der weibliche Beckenboden im Militär kein Thema, was aber nichts an der hohen Belastung und schädigenden Wirkung der Sit-ups und der hohen Crunches auf den Beckenboden ändert.

 

Die Funktionen der Bauchmuskeln

Die Bauchmuskeln werden nach Funktion und Lage unterteilt. Die tiefste Schicht, der Transversus, ist in erster Linie für die Rumpfstabilität und die Ausatmung zuständig, die mittlere Schicht für Rotation und Rotationskontrolle. Die oberflächliche Schicht, der Rectus abdominis, ist hauptsächlich für die Beugung verantwortlich.

Das heißt, dass zwei Muskelfunktionsschichten überhaupt keine Beugung brauchen, um verbessert und gekräftigt zu werden. Es ist nur der Rectus abdominis, der über die Beugung gekräftigt bzw. gepumpt werden kann.

Meine Empfehlungen für ein intelligentes Bauchmuskeltraining findet ihr im Kasten „Empfehlungen für ein intelligentes Bauchmuskeltraining“. In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim Training in der Hoffnung, dass ihr das so auch an eure Trainierenden vermittelt.

 



 

Empfehlungen für ein intelligentes Bauchmuskeltraining

  • Als Ausgangsstellung sollte eine neutrale Beckenstellung mit Lordose gewählt werden.
  • Frauen sollten den Beckenboden vor der Last willkürlich nach innen aktivieren.
  • Der Transversus muss während der ganzen Übung konzentrisch arbeiten und darf nicht nach außen geschoben werden.
  • Sollen die Rectus-Kompartimente gepumpt werden, eignet sich der Bewegungsweg aus der Extension.

 

Das ist zu vermeiden

  • Die Lendenwirbelsäule auf den Boden drücken.
  • Paradoxe Transversusaktivität, d.h. den Bauch unter Last nach außen schieben.
  • Den Thorax aus der Rückenlage heraus anheben.
  • Reverse-Crunch, sprich den Po und den Rücken nach hinten-oben ziehen.

 

Übung 1

Ausgangsposition

Endposition
Thorax heben und ein wenig rotieren, während das andere Bein knapp über dem Boden ausgestreckt wird; das Becken muss neutral gehalten bleiben. Idealerweise werden Transversus und Beckenboden vor der Bewegung des Thorax nach innen gezogen.

 

Übung 2

Ausgangsposition

 

Endposition
Die Füße stehen fest auf dem Boden, der Rücken liegt auf einem Gymnastikball. Aus der Extension das Gewicht nach vorn heben, anschließend den Thorax heben. Idealerweise werden auch hier Transversus und Beckenboden vor der Bewegung des Thorax nach innen gezogen.

 

 

Übung 3

Trainingssituation
Die Oberarme werden in Schlingen eingehängt. Die Beine werden einzeln oder zusammen und leicht außenrotiert so weit nach oben gezogen wie möglich. Eine weiterlaufende Bewegung im Becken Richtung Beugung ist erlaubt.

 

Den vollständigen Artikel findest du im Trainer-Magazin 4/16, geschrieben von
Karin Albrecht | Ausbilderin in der star – school for training and recreation, mehrfache Fachbuchautorin (u.a. „Stretching – das Expertenhandbuch“, „Körperhaltung“, „Modernes Rückentraining“, „Das Antara® Lehrbuch“ und „Intelligentes Bauchmuskeltraining“). Beraterin zu den Trainingsplänen des smartAbs-Konzepts; www.star-education.ch/starOnline

 



 

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