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Ist eine erhöhte Anzahl von Wiederholungen gut?

Ist eine erhöhte Anzahl von Wiederholungen gut?

 

Eine erhöhte Anzahl von Wiederholungen pro Satz führt zu höherem kardiovaskulären und biochemischen Stress und einer verringerten Erholungsrate

Heutzutage machen in der Sportwissenschaft eine Menge verschiedene Trainingskonzepte und Übungsprogramme die Runde. Um die individuellen Ziele besser an die jeweilige Konstitution des Sportlers anzupassen, können viele Variablen geändert werden.

Gute Beispiele dafür sind die Zahl der Wiederholungen und die Zahl der Sätze, die in jeder Sitzung durchgeführt werden. Arnold Schwarzenegger z.B. trainierte nach der Maxime, sechs bis zwölf Wiederholungen pro Satz durchzuführen. Für sein persönliches Ziel, eine maximale Muskelhypertrophie zu erzielen, war diese Trainingsstrategie am erfolgreichsten.

In der Vergangenheit haben verschiedene wissenschaftliche Studien die Effekte von Krafttraining auf die Verbesserung von Körperparametern untersucht. Dennoch fehlt immer noch eine Bestimmung des optimalen Muskelermüdungsgrads nach dem Krafttraining, um die Anpassung zu maximieren.

Wissenschaftler der Sportfakultät der Universidad Pablo de Olavide in Sevilla, Spanien, haben kürzlich eine Studie veröffentlicht, in der sie die Beziehung zwischen Krafttraining und der autonomen kardiovaskulären Reaktion sowie den biochemischen und mechanischen Veränderungen im Körper untersuchten. Sie verglichen zwei Krafttrainingskonzepte, die sich hinsichtlich des „Anstrengungsgrads” unterscheiden, eines neuen sportwissenschaftlichen Parameters, der die Beziehung zwischen der tatsächlichen Anzahl der Wiederholungen und der Maximalzahl beschreibt.

Das erste Konzept beinhaltete eine maximale Anzahl von Wiederholungen pro Satz (bis zum Muskelversagen), während das zweite auf einer halb-maximalen Anzahl von Wiederholungen pro Satz basierte. Die Untersuchung wurde im renommierten International Journal of Sports Medicine veröffentlicht (González-Badillo et al. 2016).

 

 

Bankdrücken- und Kniebeugentraining zur Untersuchung der Effekte zweier verschiedener Trainingskonzepte

Die Versuchspersonen waren neun Sportstudenten mit 2–4-jähriger Krafttrainingserfahrung (1–3 Sitzungen pro Woche). Die Versuchspersonen wurden zu Beginn von Ärzten untersucht. Anschließend wurden das One Repitition Maximum (1RM) jedes Teilnehmers sowohl für das Bankdrücken als auch für die Kniebeugen bestimmt. Während des Untersuchungszeitraums führten die Personen im Abstand von 14 Tagen 2 Trainingssitzungen mit unterschiedlichen Trainingsprotokollen durch, die sich lediglich hinsichtlich der Zahl der Wiederholungen pro Satz unterschieden.

Bei der einen Trainingssitzung wurde das Training mit einem maximalen Anstrengungsgrad – 3 Sätze mit 8 Wiederholungen bis zum Muskelversagen (80% von 1RM) – durchgeführt, während die andere Gruppe lediglich 4 Wiederholungen (die Hälfte der Maximalzahl) in jedem der Sätze durchführte. Um die mechanischen und neuromuskulären Reaktionen (z.B. die Ermüdung) auf das Training zu quantifizieren, wurden die vertikale Sprunghöhe mit Ausholbewegung (Counter Movement Jump) und die mittlere Hantel-Vortriebsgeschwindigkeit zu fünf verschiedenen Zeitpunkten gemessen: direkt vor dem Training, direkt nach dem Training, 6 Stunden nachher, 24 Stunden nachher und 48 Stunden nachher. Blutproben wurden direkt vor und direkt nach dem Training sowie 48 Stunden nach dem Training genommen und hinsichtlich der Enzymkonzentrationen (z.B. Testosteron, Cortisol und Kreatinkinase) ausgewertet.

Die Testpersonen führten die Übungen morgens um 10.00 Uhr aus und begannen mit einem Warm-up für das Bankdrücken, bestehend aus einer 3-minütigen Gelenkmobilisation und 2 Sätzen mit je 8 Wiederholungen mit einer 20-kg-Hantel.

Für beide Übungen (Bankdrücken und Kniebeugen) wurde das V1-Gewicht festgelegt. Dieser Wert beschreibt das individuelle Gewicht in kg, das eine mittlere Hantel-Vortriebsgeschwindigkeit von 1 m/s bewirkt und als Ermüdungsindikator dienen kann, wenn Pre- und Post-Trainingsrate verglichen werden. Ausgewertet wurde die mittlere Geschwindigkeit von drei Maximalwiederholungen mit V1-Gewicht (Pre-Trainings-Referenzwert), gefolgt von 3 Sätzen des jeweiligen speziellen Trainings. Direkt nach dem Training wurde das Post-Trainings-V1-Gewicht durch einen Helfer bestimmt. Auf das Bankdrücken folgte ein 10-minütiges Ruheintervall.

Das Kniebeugen-Warm-up beinhaltete: 5 Minuten Joggen, 2 Beschleunigungsläufe über 30 m, 2 Sätze Kniebeugen (10 Wiederholungen ohne Gewichte) und 5 Sprünge mit Ausholbewegung. Anschließen wurden 3 mit jeweils 20 s Pause aufeinanderfolgende Maximalsprünge mit Ausholbewegung durchgeführt, um den Pre-Trainings-Referenzwert zu bestimmen. Analog zur Höhe des V1-Gewichts kann die Höhe des Sprungs mit Ausholbewegung ein Indikator für den Ermüdungseffekt sein, wenn sie vor und nach dem Training festgestellt wird.

Nach dem Feststellen des V1-Gewichts für die vollständigen Rückkniebeugen (Back Squats) wurden 3 Sätze des entsprechenden Trainings durchgeführt. Anschließend wurden das Post-Trainings-V1-Gewicht und die maximale Sprunghöhe (CMJ) gemessen. Beide Messungen wurden 6 Stunden, 24 Stunden und 48 Stunden nach dem Training wiederholt, um den Status der neuromuskulären Erholung nach dem jeweiligen Training  festzustellen. Neben den biochemischen Parametern aus den Blutproben wurden Herzfrequenzvariabilität und -flexibilität der Testpersonen untersucht. Während des Studienverlaufs wurden insgesamt 13 Zeitpunkte (zwischen 24 Stunden vor dem Training und 48 Stunden nach dem Training) unter Verwendung eines Herzfrequenzrekorders aufgezeichnet und statistisch ausgewertet.

 

 

Bodybuildingprogramme könnten längere Erholungsintervalle erfordern als bisher gedacht

Beim Training mit halbem Maximum konnten die Testpersonen alle Wiederholungen mit den ihnen zugeordneten Gewichten abschließen. Im Gegensatz dazu gelang das den Versuchspersonen beim Maximaltraining aufgrund von Ermüdung nicht, sodass die Anzahl der Wiederholungen abnahm. Außerdem nahm die mittlere Geschwindigkeit beim Maximaltraining in beiden Übungsarten ab.

Was die mechanische Messung der Ermüdung (V1-Gewicht und CMJ) angeht, zeigten sich beim Maximaltraining in beiden Übungsarten signifikante Leistungsverschlechterungen, besonders direkt nach dem Training. 6 Stunden und 24 Stunden nach dem Training konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Trainingsprotokollen (maximal und halbmaximal) beobachtet werden. 48 Stunden nach dem Training war die ursprüngliche Sprunghöhe beim Maximaltraining noch nicht wiederhergestellt. Die Autoren schließen daraus, dass Krafttraining mit einem starken Rückgang der Geschwindigkeit bei den Wiederholungen – wie etwa typische Bodybuildungprogramme – noch längere Erholungsintervalle erfordern als bisher erwartet.

Deswegen wäre es sinnvoll, für das Krafttraining eine Obergrenze für den Geschwindigkeitsverlust während der Wiederholungen festzulegen, um unnötig langsame und ermüdende Wiederholungen zu vermeiden, die nicht zum Trainingserfolg beitragen. Ein solcher geschwindigkeitsbasierter Krafttrainingsansatz wurde vom Autor der Studie bereits an derer Stelle vorgeschlagen.

Die Blutanalyse ergab 48 Stunden nach dem Training beim Maximaltraining im Vergleich zum Halbmaximaltraining eine erhöhte Plasmakonzentration der Kreatinkinase (CK; eine erhöhte CK-Konzentration wird als Marker für Muskelschädigungen betrachtet). Gleichzeitig waren interessanterweise die Testosteron- und Kortisonkonzentrationen geringer. Eine verringerte Testosteronkonzentration kann ein Indikator für Übertraining sein.

Zusammengefasst können die Hormonkonzentrationen bei dem Maximaltraining Zeichen eines vorübergehenden Ermüdungsstatus sein, der beim Halbmaximaltraining abgemildert war. Beide Trainingsprotokolle hatten einen rapiden Abfall der Herzfrequenzvariabilität direkt nach dem Krafttraining zur Folge. Allerdings zeigte das Halbmaximaltraining im Vergleich zum Maximaltraining eine signifikant höhere Herzfrequenzvariabilität während und direkt nach dem Training. Die Autoren vertreten die Hypothese, dass eine höhere Muskelaktivität zu einer Übersäuerung führt, welche Stoffwechselrezeptoren stimulieren, die einen Stimulus an das ZNS und den Hypothalamus senden, welche den Hormonstatus und das autonome Herzkreislaufsystem anpassen, was sich im Absinken der Herzfrequenzvariabilität widerspiegelt.

Schließlich demonstriert die Studie, dass eine Trainingsroutine mit der halben maximalen Anzahl der Wiederholungen pro Satz zu einer erhöhten mittleren Geschwindigkeit bei den Wiederholungen führt und dadurch einen starken Stimulus bietet. Die geringere Muskelschädigung und die reduzierte hormonelle Reaktion führen zu einer geringeren Verschlechterung der neuromuskulären Leistung und einer schnelleren Erholung. Außerdem ist direkt nach dem Training die Herzfrequenzvariabilität weniger reduziert.

 

 

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