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So übernimmst du die Führung

So übernimmst du die Führung

Gestern Kollege – heute Führungskraft

Was sind die Grundpfeiler erfolgreicher Führung? Und: Kann Führung erlernt werden oder ist das eine Gabe? Konfliktmanager Christoph Zill über das Lernen von Führung und wieso wir Vorbilder brauchen.

Führungskräfte fallen nicht vom Himmel.“ Eine Redensart, die man vor allem auf Seminaren immer wieder hört. Ebenso wie: „Führung kann man nicht lernen. Entweder man hat das Zeug dazu oder eben nicht.“ Doch was ist nun richtig? Diese Frage stellen sich vermutlich vor allem jene, die unmittelbar vor der Übernahme von Führungsverantwortung stehen oder mit dem Gedanken spielen, eine Führungsposition zu übernehmen.

Ich denke, dass beide Sichtweisen etwas für sich haben. In leitender Funktion sollte man anspruchsvolle Führungstechniken (neudeutsch auch „Führungstools“ genannt) kennen, aber vor allem können und anwenden. Das wiederum setzt Qualifizierung und Training voraus. Meisterschaft ist auch in dieser Position das Ergebnis von Qualifizierung, Erprobung, kritischer Reflexion und den drei berühmten Üs: üben, üben, üben.

Die zweite Aussage – „Man hat das Zeug oder nicht“ – fokussiert auf die persönlichen Voraussetzungen. Was geht von mir als Person aus? Inwiefern trage ich als Person zum Gelingen der Zusammenarbeit und zum Erfolg des Unternehmens bei? Das ist nicht nur an der Neukundengewinnung oder der Kündigungsquote zu erkennen, sondern in erster Linie an der Resonanz, die ich von Kollegen, Kunden und meinem Chef erfahre. Sehe ich in zufriedene Gesichter und höre ehrliche Statements oder erlebe ich eine gedrückte Atmosphäre, wo Gespräche unter Mitarbeitern plötzlich verstummen, sobald ich dazustoße? Bis mir schließlich ein Kollege steckt, dass sich die Mitarbeiter darüber beschweren, dass ich mich zum Nachteil verändert hätte, seit ich Chef geworden wäre.

 

Das Seerosen-Modell zeigt verschiedene Ebenen der Führung:
1. Blüte: symbolisiert das beobachtbare Führungsverhalten
2. Stiel: repräsentiert die persönliche Haltung bzgl. der Führung
3. Wurzelwerk: ist die persönliche Verankerung & Stärke. Foto: Ethan Daniels/shutterstock.com

Führung – bildlich gesehen

An dieser Stelle möchte ich ein einfaches Modell bzw. Bild von Führung vorstellen: das Seerosen-Modell. Eine Seerose besteht aus drei Ebenen: der Blüte, dem Stiel und dem Wurzelwerk. Die Blüte liegt auf der Wasseroberfläche. Sie steht symbolisch für das beobachtbare Führungsverhalten. Auf dieser Ebene werde ich als Führungskraft sichtbar. Mitarbeiter hören, was ich sage, und beobachten, was ich tue. Sie vergleichen, wie lange ich mich mit einer Kollegin und mit ihnen selbst unterhalte. Sie registrieren sehr genau meine Aktionen und Reaktionen.

Achtsames und proaktives Handeln ist hier sehr wichtig. Führungskräfte dürfen nicht nur reagieren, sondern müssen eigene Akzente setzen.

Der Stiel der Seerose liegt unter Wasser und repräsentiert den Führungsstil. Oder besser ausgedrückt: die persönliche Haltung. Die Haltung zum Thema „Führung“, zum Job, zu den Mitarbeitern, zu meinem Chef, zum Alltag sowie zu den Herausforderungen. Diese Haltung ist nicht direkt sichtbar – zumindest nicht sofort. Sie ist aber der zentrale Stellhebel für die Wirksamkeit meiner Führung. Wenn ein Unternehmen schwierige Phasen durchlebt, helfen Führungstools (wie Priorisieren und Delegieren) alleine oft nicht mehr weiter – hier ist dann tatsächlich die persönliche Haltung gefragt.

Wenn es hektisch und chaotisch wird, braucht es in mir als Führungsposition einen inneren ruhigen Pol, der Klarheit in das äußere Chaos bringen kann. Die innere Haltung entscheidet, ob ich aus einer Krise Kapital schlage oder an ihr zerbreche. Meine Haltung ist gleichsam der innere, für andere unsichtbare Ort, von dem aus ich die äußere Situation bewerte. Vor allem aber lässt sich Haltung verändern. Dies drückt auch der Stiel der Seerose aus, der im Wasser mit der Strömung relativ frei schwingen kann. So kann auch ich als Führungskraft meine Haltung verändern, wenn Strömungen und Entwicklungen dies erforderlich machen.

 



 

Haltungen und Einstellungen können sich ändern

Wie geht das, seine Haltung zu ändern? Wenn du eine äußere Situation nicht ändern kannst, musst du bei dir selbst ansetzen. Typischerweise sieht man Veränderungsbedarf eher im Außen und weniger bei sich selbst – das ist jedoch falsch. Haltungen kann ich außerdem gezielt durch (Vor-)Bilder und Zitate beeinflussen.

Welche Bilder von Führung geben mir Kraft in einer Führungsposition? Ist es der Fels in der Brandung? Der starke Baum? Der Kapitän auf stürmischer See? Auch ein gutes Zitat oder ein kerniger Satz, der es für mich persönlich auf den Punkt bringt, kann zur richtigen Zeit ein echter „Powerriegel“ für Kraft und Klarheit sein. Beispiele wären:

– Löse Probleme, solange sie klein sind.
– Gute Führung heißt, das Gute im Schlechten zu sehen.
– Wenn du etwas erreichen willst, das du noch nie erreicht hast, musst du etwas tun, was du noch nie getan hast.
– Entscheidend ist nicht immer die Länge eines Schrittes, sondern die Richtung.

 


So wirst du ein Chef:

Zu Beginn deiner Tätigkeit als Führungskraft sind das die ersten wichtigen „Amtshandlungen“:
1. Sicherung des Wissenstransfers: Wie komme ich an alle relevanten (Hintergrund-)Informationen und das Know-how für die erfolgreiche Aufgabenerledigung in meinem Job? Habe ich alle Kompetenzen und Befugnisse übertragen bekommen, damit ich der neuen Rolle überhaupt gerecht werden kann?
2. Erwartungen und Ziele mit Vorgesetzten und Mitarbeitern klären: Frage ich explizit nach den Erwartungen der Mitarbeiter und meines Chefs an mich? Welche Ziele möchte ich mit meinen Mitarbeitern vereinbaren und erreichen?
3. Persönliche Ziele und Rollenbewusstsein: Welche Ziele setze ich mir selbst für meine neue Aufgabe? Welche Resultate möchte ich erzielen? Welcher Typ von Chef möchte ich eigentlich sein? Vor allem, wenn ich vorher Kollege war: Bin ich bereit, mich jetzt von meiner alten Rolle als Kollege und Kumpel zu verabschieden?
4. Prioritäten setzen und delegieren: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Tagesgeschäft und Führungsaufgaben? Wie ist das in meiner Position gewichtet? Weiß ich, wie man richtig Prioritäten setzt? Kann und will ich delegieren, damit ich mich auf echte Führungsaufgaben konzentrieren kann? Welchen Mitarbeiter möchte ich zu meiner rechten Hand aufbauen?
5. Regelmäßige Kommunikation und Feedback: Haben wir bei uns im Unternehmen eine Kommunikationskultur, die es uns ermöglicht, auch über schwierige Themen konstruktiv zu sprechen? Falls nicht, wie kann ich ein offenes Kommunikationsklima positiv beeinflussen?


 

Fest verankert sein

Das Wurzelwerk der Seerose ist fest im Untergrund verankert, während der Stiel im Wasser relativ frei mit den Strömungen hin und her schwingt. Fest verankert zu sein, bedeutet einerseits Stärke: Die Stärke haben, um bei Problemen den festen Stand nicht zu verlieren. Die Stärke haben, dass eine schnelle Lösung für ein Problem nicht immer greifbar ist. „Fest verankert“ meint aber auch die manchmal ernüchternde Erkenntnis, dass die Veränderbarkeit der eigenen Persönlichkeit recht überschaubar ist. Letztlich bin ich in manchen Aspekten meiner Persönlichkeit – sicher nicht in allen – auf ein bestimmtes Stärken-Schwächen-Profil festgelegt.

Wenn ich beispielsweise in Finanzmathematik nicht gut bin, kann ich dieses Defizit mit dem ein oder anderen besuchten Kurs und dem Studium einschlägiger Fachliteratur ausgleichen. Wenn ich aber bestimmte Seiten an mir als Defizit empfinde und es mir nicht gelingt, diese freundlich anzuschauen und zu integrieren, wird dieser Umstand vermutlich eine Quelle von Konflikten in der Zusammenarbeit werden.

Ein Beispiel: Der Inhaber eines kleinen Unternehmens entließ nach einiger Zeit immer wieder seine besten Führungskräfte. Es stellte sich heraus, dass er Angst hatte, diese könnten besser werden als er. Er lehnte seine eigene Durchschnittlichkeit ab, wodurch andere, bessere zu einer echten Bedrohung wurden. Es geht nicht darum, perfekt zu sein, sondern sich so anzusehen und anzunehmen, wie man ist und nicht, wie man gerne wäre. Das ist für mich die Bedeutung von Selbstbewusstsein, der Grundpfeiler von erfolgreicher Führung.

 

In hektischen Situationen musst du als Chef Ruhe bewahren und Klarheit in das Chaos bringen. Foto: Pressmaster/shutterstock.com

Zum Abschluss ein Selbsttest

Liebe Leserin, lieber Leser, zum Schluss möchte ich dich einladen, einmal darüber nachzudenken, welche Führungspersönlichkeit in deinem Leben einen positiven Eindruck bei dir hinterlassen hat. War es der frühere Fußballtrainer, die ehemalige Klassenlehrerin, ein Ausbilder oder ist es gerade dein aktueller Chef?

Und was ist es genau, was dazu führt, dass du nun an sie oder ihn denkst? Wie war er oder sie? Wie hat er oder sie sich verhalten? Schreibe dir das alles auf.

Nach deinen ersten 100 Tagen als Führungskraft lies dir diese Aufzeichnungen noch mal in Ruhe durch und frage dich, inwiefern du jetzt auf dem Weg bist, diese Qualitäten in deiner alltäglichen Führungsaufgabe zu realisieren. Dabei wünsche ich dir alles Gute.

 

Den vollständigen Artikel findest du im Trainer-Magazin 4/16, geschrieben von Christoph Zill



 

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